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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 53.1937-1938

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Martius, Elisabeth: Ein neues Werk von Theodor Rehbenitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.16486#0124

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Ein neues Werk von Theodor Rehbenitz. Von l Martius

Theodor Rehbenitz gehört zu jenen Künstlern des
deutsch-römischen Kreises um Overbeck, deren Wir-
ken erst neuerdings wieder mehr Beachtung ge-
schenkt wurde. Durch die Jahrhundertausstellung
und durch die Bemühungen von Freiherrn von Lüt-
gendorff, der den Nachlaß des Künstlers ordnete
und im Dommuseum in Lüheck betreut, endlich
durch die Forschungen von C. G. Heise wurde die
Aufmerksamkeit auf sein künstlerisches Wirken er-
neut hingelenkt. Die Gemälde von Rehbenitz, der,
aus Holstein stammend, in Lübeck im Hause seines
Schwagers Dr. Chr. Overbeck, des Bruders von Fried-
rich Overbeck, einen Teil seiner Jugend verbrachte
und die ersten künstlerischen Eindrücke empfing,
rechtfertigen zwar diese Bemühungen keineswegs.
Sie bestätigen eigentlich die manchmal von seinen
Freunden zum Ausdruck gebrachten Bedenken um
den Erfolg seines Strebens und seiner Arbeit. Oft
wird er genannt — es sei an die Briefe von Schnorr
von Carolsfeld. von Erwin Speckter, an Ludwig
Richters Selbstdarstellung erinnert, an Frau von
Bunsens freundschaftliche Gesinnung für den Künst-
ler, an Dr. Ringseis' Aufzeichnungen über seine
Lehrtätigkeit bei der Marchesa Florenzi auf Colum-
bella bei Perugia. Man versteht die Sorge, die manch-
mal diese Äußerungen durchklingt, ob ihm wirklich
die nötige Kraft der Gestaltung eines Bildgedankens
beschieden sei. So ist neuerlich auch mit Recht die
Wertung seines Könnens mehr und mehr aus seinen
Zeichnungen gewonnen worden, und die Beachtung
des Künstlers steigerte sich, als ihm z. B. auf der Lü-
becker Ausstellung 1926, Overbeck und sein Kreis,
eine so schöne Zeichnung wie das Selbstbildnis1)

(Dresden, Kst.-Kab.) zugewiesen werden konnte.
Auf jener Ausstellung wurde auch ein stattliches
Bild bekannt, ..Christus und die Samariterin am
Brunnen""2), das seither seinen Namen trägt. Es er-
schien für unseren Künstler zwar etwas ungewöhn-
lich, ist aber gern als guter Maßstab seines Könnens
herangezogen worden <z. B. Ausstellung Roman-
tik im deutschen Norden, Hamburg, Kunsthalle.
April/Mai 1957), wenngleich ein Übergewicht ge-
gen die bekannten Bilder Zweifel erregen konnte3).
Kürzlich wurde für die Sammlung des Schleswig-
Holsteinischen Kunstvereins in Kiel, der Stadt, an
deren Universität Rehbenitz von 1840—1861, sei-
nem Todesjahr, als Zeichenlehrer ein bescheidenes
Dasein führte, ein Bild erworben, das einmal für
Rehbenitz' Entwicklung wichtige Aufschlüsse gibt,
und zum anderen die Bedenken gegen die obener-
wähnte Zuschreibung bestätigen dürfte. Es ist wie-
der eine Darstellung von Christus und der Sama-
riterin (auf Holz, 51,7 :58,8 cm, bezeichnet T. R.

[monogr.]). Der Heiland sitzt im Vordergrund
links auf dem Bilde, streng im Profil nach rechts ge-

A) Abb. Eberlein-Heise. Die Malerei der Romantiker und Nazarener.
München 1928. Taf. 85.

2) Abb. Flensburg Festschrift, 1928, S.2ig£f. (C.G.Heise).

3) Wie ich an anderer Stelle andeutete: Mitteilungen der Gesell-
schaft für Kieler Stadtgeschichte 1951. S. 14.

wandt auf einem Gemäuer vor einem runden Brun-
nen, der unter einem offenen Brunnenhause steht;
über vier schlanken Säulen mit Blattkapitellen
spannen sich Dreipaßbögen, die das Dach tragen.
Das Mauerwerk zeigt starke Spuren des Verfalls.
Dem Heiland gegenüber zum rechten Bildrand kniet
die Samariterin, die Hände vor der Brust; sie trägt
ein Kleid, wie es im deutschen Bürgertum der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts üblich war. Am linken
Bildrand, seitlich von der Gestalt Christi, erschei-
nen vier Jünger, voran Petrus; rechts hinter der
Samariterin in weiterer Entfernung sieht man eine
Wasser tragende Frau. Eine weite reiche Landschaft
erstreckt sich in Zweidrittelhöhe des Bildes. In
mehreren Plänen stehen sanfte Hügel, von Bäumen
und Sträuchern bewachsen, dicht hintereinander,
zur Mitte deckt Wald die Ferne, die sich nur in we-
nigen Durchblicken erschließt, links ragt ein hoher
Fels, gekrönt von einer Burg, auf, rechts steht eine
umfangreiche Gebäudegruppe mit turmartigen
Häusern, zuvorderst eine "Wassermühle. Nach un-
serer heutigen Vorstellung von Rehbenitz' Gemäl-
den ist die Art des Aufbaues dieser Landschaft
ebenso überraschend, wie die große Mannigfaltig-
keit des Motivischen in dem Bilde. Der Eindruck
steigert sich durch den Reichtum der Farbe. Chri-
stus trägt ein rotes Gewand und blauen, braun ge-
fütterten Mantel, die Samariterin ein weinrotes
Oberkleid mit braunen Ärmeln in verschiedenen
Tönen und dunklen, graugrünen Rock. Petrus als
erster der Jüngergruppe hat über dem schwarz-
grünen Gewand einen leuchtend gelben Mantel. Zu
diesen Hauptfarben ist der Landschaftsraum ge-
stimmt, der in Architektur und Natur, beginnend
von dem verschiedenen Braun und Grau des Brun-
nenhauses und der ferneren Gebäude bis zu dem
mannigfachen Grün und Gelb des welligen Erd-
reichs im Vordergrund und dem lichten Blau der
fernen Gebirge in sehr reicher Vielfalt von Tönen
gegeben ist. Die Pinselführung ist sehr fein, der
Farbenauftrag dünn und durchsichtig. Es darf nicht
verschwiegen werden, daß die farbige Beurteilung
mit Vorsicht zu geschehen hat. Die Hand eines sehr
geschickten Restaurators hat starke Schäden, die
das Bild offenbar aufwies, auszugleichen gewußt,
und besonders im oberen Teil muß manche Ergän-
zung der Farben festgestellt werden. Auch an den
Hauptfiguren ist eine Auffrischung hier und da un-
verkennbar. Diese Ausbesserungen sind aber mit
soviel Verständnis gemacht, daß die unberührten
Teile sichtbar sind, und es bleibt der Eindruck, daß
wir es mit einem besonders schönen Werk von
Rehbenitz zu tun haben.

Das Gemälde muß eines seiner frühesten sein. Wir
kennen bislang kein anderes, das man, wie dieses, mit
Sicherheit in die erste Zeit seines römischen Aufent-
halts setzen kann. Er kam 1815 als Vierundzwanzig-
jähriger nach Rom, nachdem er etwa zwei Jahre in
Wien gewesen war. wo er bekanntlich Schnorr von

Kunst f. Alle, Jahrg. 53. Heft 5, Februar 1938

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