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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 53.1937-1938

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Hellwag, Fritz: Wettbewerb um die Staatspreise für Bildhauer und Architekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.16486#0165

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Dagmar Gräfin zu Dohna. Bruder der Künstlerin

Aus dem „Wettbewerb um die Staatspreise"

ihres Meisters überblendet wurde! \ielleicht hatte
man das Wollen in den letzten Jahrzehnten etwas
überbewertet, vielleicht schätzt man es jetzt, zu-
gunsten eines auf soliden Fleiß gegründeten, aber
unpersönlicheren Könnens, ohne sich dessen bewußt
zu werden und der gegenwärtigen allgemeinen
Einstellung folgend, geringer ein? Die Namen der
sehr prominenten Preisrichter im diesjährigen
Wettbewerb, die öffentlich nicht genannt werden
sollen, decken die Entscheidung noch weitreichend
gegen diese Annahme. In diesen V\ ettbewerbsaus-
stellungen sollen wir einfühlend zu erkennen
suchen, was die Jugend will und welchen Ge-
danken sie Gestalt zu geben wünscht. Das ist viel
schwerer, als einem Meister mit Auge und Gefühl
nachzugehen.

So wenig man, wie bereits betont, schematisch ur-
teilen möchte, eins ist doch hier allgemein voraus-
zusetzen, daß nämlich das. was in der Kunst lehr-

bar ist, in zureichendem Maß be-
herrscht wird. Die zweite, weit
schwerer zu bestimmende Forde-
rung ist, daß erkennbar sei, wie
der Bewerber sich bereits von der
Art seines Meisters gelöst und
jenen ersten Schritt getan habe,
der das Vertrauen in seine wei-
tere künstlerische Selbständig-
keit gewährleistet. Da in diesem
Lebensalter viele der jungen
Künstler bereits im Erwerbsleben
stehen und mit Zweckaufgaben
befaßt worden sind, ist die Mög-
lichkeit zuweilen gegeben, daß die
im mehr „abstrakten", akade-
mischen V\ ettbewerb geforderte,
„ursprüngliche" Produktivität in
gewisser Weise bereits verschleiert
wurde und nur dem scharfen
Auge eines „Lehrers" erkenn-
bar ist.

Bedenkt man diese Notwendigkei-
ten, dann wird man es wohl ver-
stehen, daß junge Künstler, die
dem Preisgericht sich unterstellen
wollen, ihre Arbeiten so wählen,
daß beide Forderungen erfüllt
erscheinen; das heißt, sie werden
stets eine klare Anatomie der Kör-
per bevorzugen und andererseits
den in ihrer Eigenart bekannten
„Motiven" ihrer Meister möglichst
aus dem Wege gehen. Für die
„persönliche" Behandlungsweise
bleibt auch so ja immer noch Spiel-
raum genug. Viel offenbart sich
da als anerkennenswert beherrschte
Technik, seltener wagt sich das
hervor, was man künstlerisches
„Temperament" nennen müßte.
Nach diesem aber soll man bei
jungen Menschen, die ihr ganzes

Leben mit Kunst zubringen w-ollen, nicht vergebens

fragen müssen.

*

Der diesjährige Staatspreis ist einem der jüngsten
Bewerber, dem erst 26 Jahre alten Rudolf Agricola
erteilt worden. Er ist von deutschen Eltern in Mos-
kau geboren worden, war zuerst Schüler von Ger-
hard Mareks an der Kunstgewerbeschule Giebi-
chenstein in Halle und dann mehrere Jahre in
Frankfurt bei Richard Scheibe, dessen ausgezeich-
neter Lehre er viel verdankt. Er ging dann mit
einem Stipendium nach Kassel, wo er bereits einen
öffentlichen Auftrag — Ganzfiguren der Reforma-
toren Luther und Zwingli an der Außenwand einer
Kirche — auszuführen hatte; gegenwärtig ist er
wieder Meisterschüler des inzwischen an die Ver-
einigten Staatsschulen in Berlin berufenen Richard
Scheibe. Schon vor zwei Jahren begegnete man ihm

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