Empfindung hier die Oberfläche der Dinge erfühlt
ist. mit welcher Hingebung sie den leisesten Schwe-
bungen der Form folgt und mit welcher Kraft der
Gestaltung diese Fülle der Strukturen zum bild-
nerischen Sprechen gebracht ist: wie alle diese
schaubar gemachten Rhythmen der Form j edes Stück
des Stiches zum klingenden Bildzeichen werden
lassen. Aber wir sehen auch die frühe bildnerische
Lage, die vieles noch als Einzelheit setzt — vor
allem die Häuser und Holzstapel im Mittelgrund,
auch die Bäume —. ohne ihm eine polyphone Bin-
dung im ganzen zu schaffen.
In dem zweiten Ausschnitt ist ein kleines Stück von
der linken Seite der Landschaft ausnahmsweise auf
das Doppelte vergrößert. Wohl wird die Feinheit
des Stiches damit zur Wirkung eines Holzschnittes
vergröbert. Aber vielleicht zeigt sich dadurch beson-
ders eindringlich die Ausdruckskraft und die Mo-
numentalität dieser geprägten Form: wie links das
harte Gestein anschießt, wie der Hang sich windet,
wie er von der weich bewachsenen Kuppe bekrönt
ist; von welch unvergleichlicher Empfindung und
Formkraft allein der kleine Hang ist, der vor dem
Gebäude sich erstreckt.
Alle diese das Kleinste erfassende Eindringlichkeit
wird nirgends kleinlich oder gar pedantisch, aber
auch nirgends virtuos. Jede kleinste Bewegung des
Stichels ist geführt von meisterhafter Beherrschung
der Hand, aber nirgends stellt sich diese Meister-
schaft als blendende Fechnik selbst zur Schau, im-
mer bleibt sie bildnerische Sprache tiefster mensch-
licher Empfindung. Darum ergreift solche Land-
schaftszeichnung über allen Zeitwandel hinüber jedes
Auge, das ihrer Formsprache sich zu öffnen vermag,
und beschenkt es mit dem Bild einer Welt, die
schöpferisches deutsches Sehen uns erschaffen hat.
E. K.
Glück", seien hier zwei vergrößerte Ausschnitte
gebracht, Feile der Landschaft, deren Motive Dürer
auf seiner ersten italienischen Reise in Klausen am
Brenner gefunden hat. Der Formgehalt dieses dü-
rerischen Stiches ist so unendlich reich, daß nur
eindringendste \ ersenkung in jeden einzelnen Zug
die Fülle dieses Reichtums erfassen kann. Darum
mögen die Ausschnitte den ^\ es; zu solcher versen-
kenden Betrachtung weisen.
Wir folgen in dem großen Ausschnitt zunächst ein-
mal der Zeichnung des Bodens und „erspüren" aus
den Spuren, die der Stichel ins Kupfer grub, den
Ausdruck drängender Bewegung: wie in der Boden-
welle des Vordergrundes der Strom der Bewegung
links anhebt, in der Mitte zu Strudeln sich verdichtet
und rechts in kleinen Wellen ausklingt. Wie weiter
im Wiesenboden des Mittelgrundes ein weich Ge-
welltes an den Rändern zu muscheligen Brüchen
sich verhärtet, wie es am oberen Burgberg sich zu-
sammendrängt und in festen Buckeln erhebt, links
aber in glatten Hängen hinunterströmt. In der
Bergschlucht sodann, die den Burgberg umrahmt,
strafft sich die Bewegung zu aufschießenden Schrof-
fen, und in den etwas seltsamen Wolkenbändern
darüber fließt sie wie weicher Stoff.
Damit aber ist der Reichtum des Bewegungsaus-
druckes in diesem Ausschnitt bei weitem nicht er-
schöpft: wir entdecken neue Züge im Wasser, in
den Strukturen der Bäume, in dem Rauhen des
Gemäuers, dem Glatten der Dächer. Gehen wir ein-
mal den Weg entlang, der von der Brücke zum un-
teren Schloß führt und fassen seine Umgebung ge-
nau ins Auge: wir übersehen weder den Felsen-
sockel des Schlosses noch die zarten drängenden
W eilen der gegenüberliegenden Wiese, unter denen
der steinige Boden dem Auge so anschaulich fühl-
bar wird. Wir ermessen, mit welcher Zartheit der
ist. mit welcher Hingebung sie den leisesten Schwe-
bungen der Form folgt und mit welcher Kraft der
Gestaltung diese Fülle der Strukturen zum bild-
nerischen Sprechen gebracht ist: wie alle diese
schaubar gemachten Rhythmen der Form j edes Stück
des Stiches zum klingenden Bildzeichen werden
lassen. Aber wir sehen auch die frühe bildnerische
Lage, die vieles noch als Einzelheit setzt — vor
allem die Häuser und Holzstapel im Mittelgrund,
auch die Bäume —. ohne ihm eine polyphone Bin-
dung im ganzen zu schaffen.
In dem zweiten Ausschnitt ist ein kleines Stück von
der linken Seite der Landschaft ausnahmsweise auf
das Doppelte vergrößert. Wohl wird die Feinheit
des Stiches damit zur Wirkung eines Holzschnittes
vergröbert. Aber vielleicht zeigt sich dadurch beson-
ders eindringlich die Ausdruckskraft und die Mo-
numentalität dieser geprägten Form: wie links das
harte Gestein anschießt, wie der Hang sich windet,
wie er von der weich bewachsenen Kuppe bekrönt
ist; von welch unvergleichlicher Empfindung und
Formkraft allein der kleine Hang ist, der vor dem
Gebäude sich erstreckt.
Alle diese das Kleinste erfassende Eindringlichkeit
wird nirgends kleinlich oder gar pedantisch, aber
auch nirgends virtuos. Jede kleinste Bewegung des
Stichels ist geführt von meisterhafter Beherrschung
der Hand, aber nirgends stellt sich diese Meister-
schaft als blendende Fechnik selbst zur Schau, im-
mer bleibt sie bildnerische Sprache tiefster mensch-
licher Empfindung. Darum ergreift solche Land-
schaftszeichnung über allen Zeitwandel hinüber jedes
Auge, das ihrer Formsprache sich zu öffnen vermag,
und beschenkt es mit dem Bild einer Welt, die
schöpferisches deutsches Sehen uns erschaffen hat.
E. K.
Glück", seien hier zwei vergrößerte Ausschnitte
gebracht, Feile der Landschaft, deren Motive Dürer
auf seiner ersten italienischen Reise in Klausen am
Brenner gefunden hat. Der Formgehalt dieses dü-
rerischen Stiches ist so unendlich reich, daß nur
eindringendste \ ersenkung in jeden einzelnen Zug
die Fülle dieses Reichtums erfassen kann. Darum
mögen die Ausschnitte den ^\ es; zu solcher versen-
kenden Betrachtung weisen.
Wir folgen in dem großen Ausschnitt zunächst ein-
mal der Zeichnung des Bodens und „erspüren" aus
den Spuren, die der Stichel ins Kupfer grub, den
Ausdruck drängender Bewegung: wie in der Boden-
welle des Vordergrundes der Strom der Bewegung
links anhebt, in der Mitte zu Strudeln sich verdichtet
und rechts in kleinen Wellen ausklingt. Wie weiter
im Wiesenboden des Mittelgrundes ein weich Ge-
welltes an den Rändern zu muscheligen Brüchen
sich verhärtet, wie es am oberen Burgberg sich zu-
sammendrängt und in festen Buckeln erhebt, links
aber in glatten Hängen hinunterströmt. In der
Bergschlucht sodann, die den Burgberg umrahmt,
strafft sich die Bewegung zu aufschießenden Schrof-
fen, und in den etwas seltsamen Wolkenbändern
darüber fließt sie wie weicher Stoff.
Damit aber ist der Reichtum des Bewegungsaus-
druckes in diesem Ausschnitt bei weitem nicht er-
schöpft: wir entdecken neue Züge im Wasser, in
den Strukturen der Bäume, in dem Rauhen des
Gemäuers, dem Glatten der Dächer. Gehen wir ein-
mal den Weg entlang, der von der Brücke zum un-
teren Schloß führt und fassen seine Umgebung ge-
nau ins Auge: wir übersehen weder den Felsen-
sockel des Schlosses noch die zarten drängenden
W eilen der gegenüberliegenden Wiese, unter denen
der steinige Boden dem Auge so anschaulich fühl-
bar wird. Wir ermessen, mit welcher Zartheit der