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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0011

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Der Grundsatz, der unser Unternehmen leiten wird, ist kurz der:

die Regeln und Bildungsgesetze der mittelalterlichen Kunst, also der
romanischen und gothischen Periode, auf Neubildungen für kirchliche
Zwecke anzuwenden,

Wie wir die einzelnen Worte dieses Satzes verstehen, wollen wir offen motiviren,

, Wirnkhmen die mittelalteLlicheKunft zumMuster. Wir stnd alsoweit entfernt, jenem
Rigorismus zu huldigen, der nur die Erzeugnisse der gothischen oder gar nur der frühgothischen
Kunst zulassen will. Der romnnische Styl ist in Bezug auf Selbstständigkeit, organische Ein-
heit, Zweckmäßigkeit und Schönheit ebenso ausgebildet, als der gothische Er hat also ähnliche
Änsprüche auf Anerkennung wie dieser, Historisch betrachtet, ist er die Wurzel, welcher der
gothische Styl entsprossen ist, ohne falsche Zweige getrieben zu haben, die einem Verfall
gleichen und deßhalb den Nachahmer irreführen könnten. Blos in dem gothischen oder gar nur
im frühgothischen Styl Kirchen zu bauen und einzurichten wäre eine Einseitigkeit, welche uns
aller Mannigfaltigkeit berauben und an eine der Fortbildung unfähige Form fesseln würde.
Eine Warnung vor diesem Abwege ist nicht überflüssig. Der gothische Styl nämlich erfordert
einen ganzen Mann und ein ganzes Mannesleben. Derjenige, der ihn in seinen ganzen Funda-
menten erfaßt, durch alles Detail hindurch bis zur Spitze verfolgt und erkannt hat, durfte in
der Regel sein Jünglings- und Mannesalter dransetzen. Daß er nur gothisch oder wenigstens
mit Vorliebe gothisch baut und bildet, ist begreiflich, keinesfalls aber seine Opposition oder
Abneigung gegen die vorgothische Bauweise. Mit Ausnahme von Spcier hat sich in Deutsch-
land noch keine großartige Gelegenheit zur Bildung einer romanischen Bauhütte ergeben. Die
unverhältnißmäßige Mehrzahl der gothischen Hütten ist wohl Schuld daran, daß die romanische
Kunft weniger gewürdigt, weil weniger verstanden ist, als ihre Nachfolgerin. Jetzt noch haben
Mainz und Worms obenan die Ausgabe, diese Lücke zu decken, und deßwegen allein schon
besitzen sie das Recht aus die Sympathie aller Kunstfreunde.

Selbst aber in dem Falle, daß der Neubau romanischer Kirchen verschmäht würde, so
stehen noch so viele alte Bauten da, die einer stylgerechten Restauration und Ausftattung
harren, und gerade die letztere gibt dem Bau erst die Vollendung,

Ebenso wenig darf man den spatgothischett Styl verwerfen, Mag man über einzelne
Formen oder Ausartungen denken wie man wolle, so ist doch nicht zu läugnen, daß wir dieser
Perwde im kirchlichen Mobiliar die schönsten, ja oft die einzigen Mufter verdanken, da die
Malerei, Skulptur und Metallkunst in derselben Zeit, die in der Architektur als Nerfall zu
bezeichnen ift, in der höchsten Blüthe standen.

DerZusammenhang der romanischen und gothischenKunst mit der altchristlichen gründet
sich allerdings zunächst auf die gemeinsamen Kultzwecke und liturgischen Anschauungen. Schon
dieß zwingt zum Zurückgreisen auf diese Epoche. Allein die organische Entwicklung, welche die
Disposition und Anlage des ganzen Kirchenbaus späterer Zeit aus den srühesten Bildungen
herausgenommen hat, die Gemeinsamkeit der Symbolik u, A. berechligt und verpflichtet uns,
die letzteren als die Basis mit der gleichen Theilnahme und Aufmerksamkeit zu betrachten.

Eben darin liegt der Grund, warum wir die Renaissance und noch mehr deren Ent-
artungen im Zopf, außerhalb unseres Gesichtskreises stellen. Die Renaissance ist ein unglück-
licher Versuch, die classischen Kunstsormen auf christliche Bedürfnisse anzuwenden, unglücklich
— wie ihre Entwicklung zum unübertrefflichsten Modell der Abgeschmacktheit im Roccoco und

des romanischen und gothischen Baustyls", 2. Auflage, und besonders in dem Aufsatz: „Kirche und
Kunst", Kirchenschmuck 1858, III. Band, 3. und 4. Heft.
 
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