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Dengler, Georg [Editor]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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3. Heft
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Polychromirung der geschnitzten Bilder: zur Erklärung des Farbdrucks. Beilage I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0052

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40

splütert, das kümmert den Künstler wenig.
Will man neben den Goldmassen doch auch
der Farbenpracht nicht entbehren, so bieten
die „Lasuren" ein willkommenes Mittel dazu
dar. Einzelne Gewänder werden mit schlech-
ter Vergoldung oder Versilberung bedeckt, und
über dieses Metall wird eine durchsichtige
blaue, rothe oder grüne Farbe gezogen, so
daß der arme Heilige von Metallschimmer in
allen Farben ügergossen ist, und wie in einen
Schmelzofen eingetaucht erscheint. Diese un-
natürliche, steife Metallpracht, welche das beste
Bild verunziert und die schönsten Gewand-
motive vernichtet, soll wahrscheinlich den Zu-
stand der Verklärung — karrikiren.

Denken wir uns ein solches Heiligenbild
noch vollends aus einem Gestell von marmo-
rirtem Holze, so fehlt nichts mehr, um es zu
einem abschreckenden Denkmale der Gedanken-
losigkeit und Abgeschmacktheit zu machen.

Eine solche Behandlung kann man sich
allenfalls sür die Erzeugnisse der Rococozeit
gefallen lassen. Jst es den Zopfkünstlern ge-
lungen, an ihren Statuen die widerstrebend-
ften Gegensätze zu vereinigen, sie zugleich
stehend und fliegend, nackt und gekleidet, heilig
und profan darzustellen, warum sollte es dem
Fasser verwehrt seyn, auch seinerseits Wunder
zu thun und uns an Einem Stücke Holz, Mar-
mor und Metall vorzupinseln.

Aber schwer zu beklagen ist es, daß man
sich nicht scheut, selbst die schonsten nüttel-
alterlicheu Schnitzbilder durch eine solche Fas-
sung zu verunstalten, wodurch zugleich eine
Erneuerung derselben im Geiste des Alter-
thums in die fernsten Zeiten hinaus unmög-
lich gemacht wird.

Die neuern Bildhauer haben diesen Uebel-
stand empfunden, und da sie ihre eigenen
Werke nicht dieser Verunzierung aussetzen
wollten, so dachten sie aus eine würdigere und
naturwahrere Polychromirung derselben.

Sie bemalen ihre Bilder mit matten Far-
ben, vermeiden namentlich bei den Gesichtern
den weißen Lack, der ihnen ein so abschrecken-
des, aussätziges Ansehen gibt, streichen sie

nicht blos an, sondern malen sie mit natür-
lichen Tönen, Mitteltinten und Schatten. Bei
den Gewändern lassen sie die Lasuren weg,
wenden statt der Massenvergoldung blos gol-
dene Säume an, etwa mit darauf angebrachten
Verzierungen, decken die Gewänder mit mat-
ten Farben. Um den der Oelfarbe eigenen
Glanz zu vermeiden, gebrauchen sie eigene
Kunstgriffe, Aufstäuben von Puder u. dergl.
Dieß ist gut und unstreitig der Lackier- und
Lasiermethode weit vorzuziehen. Aber es bie-
tet dem durch die Glanzlasuren verwöhnten
Auge des Volkes keinen Ersatz sür den ge-
raubten Schimmer. Man macht die Erfah-
rung, daß diese matt gefaßten Bilder auf
einen energischen Widerstand von Seite des
Volkes stoßen.

So sehr wir nun der letzteren Manier vor
der erstgeschilderten den Vorzug einräumen,
sind wir nicht gemeint, die Opposition dage-
gen allein dem angewöhnten Ungeschmack
oder dem Eigensinn zuzuschreiben, wiewohl
diesem einig^er Antheil nicht abzusprechen ist.
Wir glauben auch einen tiefer liegenden Grund,
dem einige Berechtigung inwohnt, dabei her-
auszufinden. Das Volk will seine Heiligen
prächtig dargestellt sehen. So sehr es weiß,
daß sie im irdischen Leben größtentheils mehr
demüthig und unscheinbar als prunkvoll auf-
getreten sind, so richtig ist doch anderseits sein
Gefühl, wenn es an den Abbildungen derje-
nigen, die es im Glanze der himmlischen Sonne
verklärt weiß, eine Andeutuug dieses Glanzes
verlangt.

Die bisherigen Lasurdarstellungen bieten
ihm, wenn auch in unpassender Weise, doch
wenigstens einen Glanz, eine Andeutung der
Pracht; die matten Bemalungen nicht. Und
das ist der größte Mangel der letzteren.

Gibt es nun kein Mittel, um den beiden
Uebeln auszuweichen, keinen unfehlbaren Weg
zur Lösung der wichtigen Frage?

Nichts leichteres. Wir brauchen den Weg
nicht erst zu suchen, er ist schon gebahnt. Die
Alten haben ihn schon betreten.

Gehen wir zu den mittelalterlichen Meistern
 
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