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bemerkbare Lostrennung der Naht am oberen
! Silberstoff, wodurch wir bei Betrachtung der
Schwere des Gürtels auf die Vermuthung ge-
I führt wurden, es dürfte unter dieser reich ver-
zierten Hülle als deckendem und schützendem
^ Oberstoff das Cingulum der heiligen Elisabeth
verborgen seyn. Von dem äußerst zuvor-
kommenden Besitzer erhielten wir daraus auf
> unseren dringenden Wunsch die Erlaubniß, an
! einer Stelle eine Auftrennung des Oberstoffes
vorzunehmen, und siehe da, es zeigte sich so-
fort ein äußerst merkwürdiges Gewebe, worin
wir mit größter Sicherheit eine kunstreiche
Tertur des 12. Jahrhunderts zu erkennen im
Stande warcn. Es wurde sofort mit größter
Vorsicht der ganzen Länge nach die Abtrennung
des Oberstoffes vorgenommen, und zeigte sich
nun der Gürtel in seiner Ganzheit und in
dem Zustande, wie er von der frommen Land-
gräfin von Thüringen und Hessen ehemals ge-
tragen worden war.
Derselbe mißt in seiner größten Länge mit
Einschluß der silbernen Schnalle 1 Mtr. 6
Decim. 1 Cent. Die Breite desselben jedoch
beträgt nur l^ Cent.
Die silberne Schließe selbst hat eine Länge
von 6 Cent. 7 Millim.
Das Gewebe selbst stellt sich heraus als ein
Fabrikat tait au wstisr und, was wir hier
ausdrücklich hervorheben, nicht als eine freie
Handstickerei. Bis jetzt ist es der Forschung
noch nicht gelungen zu constatiren, wie die
kleine Maschine beschaffen gewesen seyn müsse,
auf welcher man im Mittelalter solche Gürtel
für profane Zwecke, wie auch für kirchlichen Ge-
brauch, reichere Stolen, Manipeln und Stäbe
an Meßgewändern und Dalmatiken anzufer-
tigen pflegte. Auffallend ist es jedoch, daß
die genannten Gegenstände in dieser merkwür-
digenTertur und stofflichen Beschaffenheitblos
in der romanischen Kunstepoche und höchstens
noch bis zum Schlusse des 13. Jahrhunderts
vorkommen. Aufausgedehnten Nachsuchungen
sind uns keine solche Gewebe vorgekommen,
die in der Gothik auf einem kleinen Webstuhle
angefertigt worden wären.
Unsere Privatsammlung von mittelalter-
lichen Geweben und Stickereien besitzt eine
größere Zahl solcher eigenthümlichen Gewebe
in einem ausgeprägten romanischen Charakter,
die hinsichtlich Lhrer tertonischen Beschaffen-
heit dem tn Rede stehenden Gürtel vollkommen
gleich sind. Bei allen diesen interessanten,
äußerst dichten Geweben erscheint eine doppelte
Kette in starken Fäden von ungebleichter Na-
turseide und ist der Einschlag sehr dicht ge-
geben und stark angeschlagen, so daß ein merk-
würdiger Stoff erzielt wird, der fast die Dicke
von Leder gewinnt, und seiner Dichtigkeit und
Schwere wegen sich vorzüglich zu Gürleln
eignete. Es dürfte für geübte Schnür- und
Webemeister eine intereffante, seither noch
nicht gelöste Aufgabe seyn, festzustellen, mit
welchen Vorkehrungen man in der romanischen
Kunstepoche auf kleineren Webestühlen solche
dichte Gewebe in Seide und Gold angefertigt
hat, die es der kunstfertigen Weberin gestatte-
ten, nicht nur frei und selbstständig hinsichtlich
der Aufeinanderfolge der Muster zu verfügen,
sondern die es ihr auch möglich machte, auf
dem schmalen Bande zu beiden Seiten des
Randes Jnschriften einzuweben, die auf jeder
Seite verschieden sich herausstellten. Wir sind
gerneerbötig, Männern vomFachzudtesemBe-
hufeinzelne Reste solcher eigenthümlichenro-
manischen Bortenwirkereien zur Untersuchung
zuzusenden.
Dte Dessins des Gürtels erscheinen tn großer
Abwechslung in kletnere O-uadrate, meistens
von 2—3 Cent. Länge, geordnet. Die Grund-
farbe dieser Ouadratur ist verschieden und
wechselt mit grün, weiß und gelb ab. Auf
diesen vtelfarbigen Fond hat die kunstgeübte
Weberin in großer Abwechselung verschiedene
Muster durch den Einschlag zu erzielen ge-
wußt, die theilweise aus der Pflanzenwelt,
theilweise aus der Thierwelt entlehnt sind.
Zu diesen stylisirten Darstellungen aus der
vegetabilischen und animalischen Schöpfung
kommen auch noch höchst merkwürdige Form-
bildungen als Dessin vor, die geometrisch
aus geraden Linien zusammengesetzt sind und
bemerkbare Lostrennung der Naht am oberen
! Silberstoff, wodurch wir bei Betrachtung der
Schwere des Gürtels auf die Vermuthung ge-
I führt wurden, es dürfte unter dieser reich ver-
zierten Hülle als deckendem und schützendem
^ Oberstoff das Cingulum der heiligen Elisabeth
verborgen seyn. Von dem äußerst zuvor-
kommenden Besitzer erhielten wir daraus auf
> unseren dringenden Wunsch die Erlaubniß, an
! einer Stelle eine Auftrennung des Oberstoffes
vorzunehmen, und siehe da, es zeigte sich so-
fort ein äußerst merkwürdiges Gewebe, worin
wir mit größter Sicherheit eine kunstreiche
Tertur des 12. Jahrhunderts zu erkennen im
Stande warcn. Es wurde sofort mit größter
Vorsicht der ganzen Länge nach die Abtrennung
des Oberstoffes vorgenommen, und zeigte sich
nun der Gürtel in seiner Ganzheit und in
dem Zustande, wie er von der frommen Land-
gräfin von Thüringen und Hessen ehemals ge-
tragen worden war.
Derselbe mißt in seiner größten Länge mit
Einschluß der silbernen Schnalle 1 Mtr. 6
Decim. 1 Cent. Die Breite desselben jedoch
beträgt nur l^ Cent.
Die silberne Schließe selbst hat eine Länge
von 6 Cent. 7 Millim.
Das Gewebe selbst stellt sich heraus als ein
Fabrikat tait au wstisr und, was wir hier
ausdrücklich hervorheben, nicht als eine freie
Handstickerei. Bis jetzt ist es der Forschung
noch nicht gelungen zu constatiren, wie die
kleine Maschine beschaffen gewesen seyn müsse,
auf welcher man im Mittelalter solche Gürtel
für profane Zwecke, wie auch für kirchlichen Ge-
brauch, reichere Stolen, Manipeln und Stäbe
an Meßgewändern und Dalmatiken anzufer-
tigen pflegte. Auffallend ist es jedoch, daß
die genannten Gegenstände in dieser merkwür-
digenTertur und stofflichen Beschaffenheitblos
in der romanischen Kunstepoche und höchstens
noch bis zum Schlusse des 13. Jahrhunderts
vorkommen. Aufausgedehnten Nachsuchungen
sind uns keine solche Gewebe vorgekommen,
die in der Gothik auf einem kleinen Webstuhle
angefertigt worden wären.
Unsere Privatsammlung von mittelalter-
lichen Geweben und Stickereien besitzt eine
größere Zahl solcher eigenthümlichen Gewebe
in einem ausgeprägten romanischen Charakter,
die hinsichtlich Lhrer tertonischen Beschaffen-
heit dem tn Rede stehenden Gürtel vollkommen
gleich sind. Bei allen diesen interessanten,
äußerst dichten Geweben erscheint eine doppelte
Kette in starken Fäden von ungebleichter Na-
turseide und ist der Einschlag sehr dicht ge-
geben und stark angeschlagen, so daß ein merk-
würdiger Stoff erzielt wird, der fast die Dicke
von Leder gewinnt, und seiner Dichtigkeit und
Schwere wegen sich vorzüglich zu Gürleln
eignete. Es dürfte für geübte Schnür- und
Webemeister eine intereffante, seither noch
nicht gelöste Aufgabe seyn, festzustellen, mit
welchen Vorkehrungen man in der romanischen
Kunstepoche auf kleineren Webestühlen solche
dichte Gewebe in Seide und Gold angefertigt
hat, die es der kunstfertigen Weberin gestatte-
ten, nicht nur frei und selbstständig hinsichtlich
der Aufeinanderfolge der Muster zu verfügen,
sondern die es ihr auch möglich machte, auf
dem schmalen Bande zu beiden Seiten des
Randes Jnschriften einzuweben, die auf jeder
Seite verschieden sich herausstellten. Wir sind
gerneerbötig, Männern vomFachzudtesemBe-
hufeinzelne Reste solcher eigenthümlichenro-
manischen Bortenwirkereien zur Untersuchung
zuzusenden.
Dte Dessins des Gürtels erscheinen tn großer
Abwechslung in kletnere O-uadrate, meistens
von 2—3 Cent. Länge, geordnet. Die Grund-
farbe dieser Ouadratur ist verschieden und
wechselt mit grün, weiß und gelb ab. Auf
diesen vtelfarbigen Fond hat die kunstgeübte
Weberin in großer Abwechselung verschiedene
Muster durch den Einschlag zu erzielen ge-
wußt, die theilweise aus der Pflanzenwelt,
theilweise aus der Thierwelt entlehnt sind.
Zu diesen stylisirten Darstellungen aus der
vegetabilischen und animalischen Schöpfung
kommen auch noch höchst merkwürdige Form-
bildungen als Dessin vor, die geometrisch
aus geraden Linien zusammengesetzt sind und