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Das christliche Europa.
machtes, ausgestopstes Horn von einer Spanne Länge auf dem Kopfe
trugen; diese Sitte war im Jahre 1731 noch vorhanden*).
Im 16. Jahrhundert riß auch in dieser Beziehung großer Luxus
ein und die Obrigkeiten bemühten sich, in den von ihnen bekannt
gemachten Statuten dawider anzukämpfen, namentlich aber das über-
mäßig kostbare Ankleiden der Leichen und das der begleitenden Die-
nerschaft zu untersagen. In Sachsen trat 1739 und 1750 die Lan-
desgesetzgebung dagegen auf. Im 18. Jahrhundert wurden Spiegel
und Treppen des Sterbehauses schwarz verhangen, die Stöcke schwarz
überzogen. Seit Anfang dieses Jahrhunderts begnügte man sich den
linken Arm und den Hut mit Flor zu umwinden, und die Frauen
tragen schwarze Florhauben. Bei dem Militär werden Portepees,
Schärpen, Epauletts und Kordons mit Flor verhüllt, ebenso Fahne,
Trommeln und die musikalischen Instrumente mit Flor behangen.
Bei dem Tode des Landesherrn legen sämimliche Beamte und deren
Frauen Trauer an, bei Hofe wird bei Todesfällen in verwandten
fürstlichen Familien je nach dem Grade der Verwandtschaft auf kür-
zere oder längere Zeit Trauer angelegt. In den letzten Jahren hat
in den bürgerlichen Familien die Sitte begonnen, gar keine Trauer
anzulegen und diesen Entschluß bei Sterbefällen in den öffentlichen
Plättern bekannt zu machen.
Das öffentliche Leben
des christlichen Westeuropa bietet ein überaus bewegtes Bild der Ver-
hältnisse dar, deren Embryonen wir im alten Griechenlands, in Rom,
im Kaukasus, ja überall da kennen lernten, wo die active Rasse ver-
ändernd an die passive herantritt. Das christliche Westeuropa ist das
Land der Versuche, der Widersprüche, der sich gegenseitig anfeinden-
den, von den Menschen noch nicht beherrschten Elemente. Seine
Völker, von ver Vorsehung offenbar zu einer Familie bestimmt, an
gleiche Interessen gebunden, stehen sich feindselig gegenüber, um nich-
tige Dinge, ja um Worte,' so unnütz wie kraftlos, hadernd. Nur
Wenigen gelang es, sie für kurze Zeit zu vereinigen. Karl der
Große und Napoleon vermochten es so wenig als der Papst und
der Kaiser. Allen erwuchsen Gegner im eigenen Schooße. Wir
sahen in Aegypten und Indien die vollendete Herrschaft der Priester,
im Orient die vollständige Herrschaft des Fürstenwillens, im alten
Mexico weltliche und geistliche Macht in inniger Eintracht, im alten
Rom die Herrschaft des Adels, in griechischen Städten die des Vol-
kes, im alten Gallien gemeinsame Herrschaft des Adels mit der Geist-
lichkeit. In dem christlichen Westeuropa stehen alle diese Formen
ves öffentlichen Lebens gar feindlich, eine jede nach Selbstständigkeit
ringend neben einander. Für jede sind gewaltige Kräfte aufgetre-
*) Keyßlers neueste Reisen. Hannover 1751. S. 1461.
Das christliche Europa.
machtes, ausgestopstes Horn von einer Spanne Länge auf dem Kopfe
trugen; diese Sitte war im Jahre 1731 noch vorhanden*).
Im 16. Jahrhundert riß auch in dieser Beziehung großer Luxus
ein und die Obrigkeiten bemühten sich, in den von ihnen bekannt
gemachten Statuten dawider anzukämpfen, namentlich aber das über-
mäßig kostbare Ankleiden der Leichen und das der begleitenden Die-
nerschaft zu untersagen. In Sachsen trat 1739 und 1750 die Lan-
desgesetzgebung dagegen auf. Im 18. Jahrhundert wurden Spiegel
und Treppen des Sterbehauses schwarz verhangen, die Stöcke schwarz
überzogen. Seit Anfang dieses Jahrhunderts begnügte man sich den
linken Arm und den Hut mit Flor zu umwinden, und die Frauen
tragen schwarze Florhauben. Bei dem Militär werden Portepees,
Schärpen, Epauletts und Kordons mit Flor verhüllt, ebenso Fahne,
Trommeln und die musikalischen Instrumente mit Flor behangen.
Bei dem Tode des Landesherrn legen sämimliche Beamte und deren
Frauen Trauer an, bei Hofe wird bei Todesfällen in verwandten
fürstlichen Familien je nach dem Grade der Verwandtschaft auf kür-
zere oder längere Zeit Trauer angelegt. In den letzten Jahren hat
in den bürgerlichen Familien die Sitte begonnen, gar keine Trauer
anzulegen und diesen Entschluß bei Sterbefällen in den öffentlichen
Plättern bekannt zu machen.
Das öffentliche Leben
des christlichen Westeuropa bietet ein überaus bewegtes Bild der Ver-
hältnisse dar, deren Embryonen wir im alten Griechenlands, in Rom,
im Kaukasus, ja überall da kennen lernten, wo die active Rasse ver-
ändernd an die passive herantritt. Das christliche Westeuropa ist das
Land der Versuche, der Widersprüche, der sich gegenseitig anfeinden-
den, von den Menschen noch nicht beherrschten Elemente. Seine
Völker, von ver Vorsehung offenbar zu einer Familie bestimmt, an
gleiche Interessen gebunden, stehen sich feindselig gegenüber, um nich-
tige Dinge, ja um Worte,' so unnütz wie kraftlos, hadernd. Nur
Wenigen gelang es, sie für kurze Zeit zu vereinigen. Karl der
Große und Napoleon vermochten es so wenig als der Papst und
der Kaiser. Allen erwuchsen Gegner im eigenen Schooße. Wir
sahen in Aegypten und Indien die vollendete Herrschaft der Priester,
im Orient die vollständige Herrschaft des Fürstenwillens, im alten
Mexico weltliche und geistliche Macht in inniger Eintracht, im alten
Rom die Herrschaft des Adels, in griechischen Städten die des Vol-
kes, im alten Gallien gemeinsame Herrschaft des Adels mit der Geist-
lichkeit. In dem christlichen Westeuropa stehen alle diese Formen
ves öffentlichen Lebens gar feindlich, eine jede nach Selbstständigkeit
ringend neben einander. Für jede sind gewaltige Kräfte aufgetre-
*) Keyßlers neueste Reisen. Hannover 1751. S. 1461.