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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 9): Das christliche Westeuropa: mit 6 Tafeln Abbildungen — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1851

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63449#0382

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372

Das christliche Europa.

Großen Einfluß auf die Politik der europäischen Staaten haben
eine Menge Elemente, die der chinesische Staat z. B. ganz davon
ausgeschlossen hat; es sind dies die Frauen, das Geld, der Ehrgeiz,
die Geistlichkeit, die Geburt, die bis in die Zeiten der französischen
Revolution an den europäischen Höfen eine gewaltige Rolle spielten.
Seit der Bezwingung der Revolution durch Napoleon sind die ge-
heimen Gesellschaften für die politischen Zwecke an die Tages-
ordnung getreten. Sie gewannen festen Boden, seitdem die Gegner
Napoleons sich derselben für ihre Zwecke bedienten, was namentlich
von dem Tugendbunde gilt. Im Schooße dieser Gesellschaften ent-
wickelte sich jene Philosophie, welche die Gefühle des Gehorsams, des
Vertrauens, der Ehrfurcht für das Alter, der Pflicht und Liebe zu-
nächst lächerlich machte und dann sich durch diese Lehre eine große
materielle Macht zu gründen strebte, welche jeglichen Besitz als ein
Verbrechen an der Gesammtheit aufstellt. Diese Gesellschaft ging von
Frankreich aus, verbreitete sich über Deutschland und Italien und zog
sich nach den Niederlagen, die sie auf dem Continent erlitten, nach
England, wo sie ihren Sitz sich begründet hat. Von dort aus lei-
tet sie die Bewegungen gegen die alte Heimath.*)
Das Kriegswesen
der europäischen Staaten hat seine Anfänge bei den Griechen, seine
Ausbildung bei den Römern; die germanischen Völker nahmen von
diesen vieles an, vor allem die größere Ausbildung der Infanterie.
Die Einfälle der Hunnen und Avaren brachten eine Aenderung her-
vor, die Reiterei wurde wieder vorherrschend; die Erfindung des
Schießpulvers und die Anwendung des Feuergewehres wirkten aber-
mals umgestaltend, bis die Aufstellung größerer Heereskörper seit dem
17. Jahrhundert dasselbe der gegenwärtigen Ausbildung zuführten.
Von allen Staatseinrichtungen der christlichen Westeuropäer ist
unstreitig das Kriegswesen die am meisten vorgeschrittene. Es
überflügelt bei weitem alle andern Theile, namentlich das Finanz-
wesen und die Justiz. Es hat alle Wissenschaften der Erfahrung in
seinen Bereich gezogen und benutzt. Demselben kann sich nur das
See- und Bergwesen würdig zur Seite stellen, deren es sich eben-
falls bemächtigt hat.
Das westeuropäische Kriegswesen unterscheidet sich wesentlich von
dem orientalischen dadurch, daß der Soldat nicht einen abgeschlosse-
nen Stand bildet, sondern daß er nur für eine bestimmte Zeit die
Waffen trägt, daß aber auch jeder gesunde Mann von seinem zwan-
zigsten Jahre an vom Staate für drei bis acht Jahre zum Kriegs-

*) L. Stein, Geschichte der socialen Bewegung in Frankreich von 1789
bis auf unsere Tage. Leipzig, 1850. 3 Theile. 8.
 
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