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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 9): Das christliche Westeuropa: mit 6 Tafeln Abbildungen — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.63449#0309

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Die Bauern.

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theile des bis dahin so gepriesenen Fabrikwesens ins Licht. Die
europäische, namentlich deutsche Industrie hatte nicht die kolossalen
Mittel der englischen und ein Sinken der Arbeiterlöhne fand statt,
in Folge dessen trat jenes System ein, das die Arbeiter meist ganz
in die Hände der Fabrikanten lieferte und als eine neue Art von
Leibeigenschaft erscheint. Und das ist denn das Proletariat.
Die Demokratie bemächtigte sich endlich der Proletarier, zu wel-
chen der verarmende Handwerker und Landmann sich schlug-, man
predigte ihnen, daß Arbeit ein Unglück, Besitz ein Unrecht, Genuß
des Menschen Bestimmung seh — man trieb sie auf die Barrikaden und
füllte endlich Zuchthäuser und Deportationsschiffe mit den Unglücklichen.
Seit dem Jahre 1830, wo die gänzliche Beseitigung der letzten
Spuren der Leibeigenschaft, Hörigkeit, der Dienste und Frohnen be-
gonnen wurde, haben wir
einen Stand der freien Bauern,
der auch auf den Landtagen und in den Deputirtenkammern vertre-
ten ist. In Westfalen und in den deutschen Hochlanden, in Hessen,
Sachsen, Oesterreich und in Thüringen hatte allerdings allgemach der
Bauer eine freiere Stellung zu erwerben Gelegenheit gehabt*). Allein
die meisten Bauern waren doch mehr oder minder von den geistlichen
und weltlichen Herren vernachlässigt, von den Beamten Derselben be-
drückt, von ihnen bei allen Staatslasten am meisten in Anspruch ge-
nommen, vom Bürger wie vom Adel verachtet und geneckt. Seit-
dem die stehenden Heere aufkamen, mußte der Bauer seine Söhne
dafür hergeben, während Bürger und Edelmann entweder ganz frei
ausgingen oder nur die Anführerstellen einnahmen. Der dumme,
grobe Bauer war immer Gegenstand des Spottes**). Er war daher
mißtrauisch, weil alle Welt ihn zu übervortheilen trachtete. Fürsten
und Edelleute verwüsteten durch ihren Wildstand und ihre Jagden
seine Felder ohne Rücksicht. Der Bauer, der sich am Wilde vergriff,
wurde hart bestraft, denn das Wild war des Landesherrn Vieh und
dessen Weide des Bauern Acker und Wiese***). Bei den großen
Jagden der Landesherren mußte der Bauer das Wild treiben, die
Hunde führen und andere Dienste verrichten. Für den Unterricht
des Landmanns geschah gar nichts, Dorfschulen wurden erst im vo-

*) Friede. Carl v. Burk Abhandlungen denen Bauergütern in Deutsch-
land sowohl überhaupt als auch dreiund fünfzig unterschiedene Arten
derselben insonderheit. Gießen, 1783. 4.
**) In Kirchhoff's Wendunmuth sowie in Hanns Sachs Schwanken wer-
den die Bauern des 16. Jahrhunderts als dumm, grob und boshaft geschil-
dert- Siehe besonders Hanns Sachs Werke II. 4. 133, 212 ff.
***) CH"' Lehmann histor. Schauplatz des Meißner Obererzgebür-
ges. Leipzig 1699. S. 169. von Johann Georg I. Jagden im Obergebürge.
 
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