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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 9): Das christliche Westeuropa: mit 6 Tafeln Abbildungen — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.63449#0520

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Das christliche Europa.

der Theologie sich loszuwinden und eine selbständige Stellung anzu-
nehmen. Indessen begannen die germanischen Völker schon früh,
nachdem sie der Schreibkunst sich bemächtigt, ihre Muttersprache
schriftlich zu handhaben. Die ersten waren die Gothen, deren Bischof
Ulfilas das neue Testament ins Gothische übertrug.*) Die Franken
und anderen Deutschen bedienten sich für ähnliche Zwecke jedoch der
lateinischen Sprache, wie denn ihre Gesetze durchgängig zuerst latei-
nisch ausgezeichnet wurden. Nur die Dichtungen wurden in der
Muttersprache bewahrt und pflanzten sich darin fort, obschon sie
früher mehr in lateinischer, als in deutscher Sprache ausgeschrieben
wurden.
Wir haben demnächst die Betrachtung der Wissenschaften des
christlichen Westeuropa mit der
Theologie
zu beginnen. Die Evangelien, die Apostelgeschichte und die Briefe
der Apostel waren in griechischer Sprache abgefaßt, die, wie wir oben
sahen, in der römischen Welt sehr verbreitet und den gebildeten Leuten
sehr geläufig war, , ein Umstand, welcher der Verbreitung des Christen-
thums gewiß sehr günstig seyn mußte und dasselbe bei den höheren
Ständen der Gesellschaft einführte. Für die westeuropäischen Christen
wurden die heiligen Schriften schon früh ins Lateinische übersetzt;
da die älteste sogenannte italische Uebersetzung durch die Abschreiber
verdorben war, ließ Papst Damasus im Jahre 384 eine neue durch
Hieronymus machen. Dieß ward die sogenannte Vulgata.**) Das
fortwährende Abschreiben der Vulgata brachte vielfache Fehler in den
Tert und dieß hatte denn die Folge, daß nach und nach mehrere
Revisionen Statt fanden. Karl der Große beauftragte mit einer solchen
seinen Freund Alcuin, später bearbeiteten Lanfranc, Stephanus,
Nicolaus und andere den Tert, auch die Klostergeistlichen beschäftigten
sich damit und gaben Verbesserungen, Correctoria, heraus. Cardinal
Ximenes begann im Jahre 1502 eine umfassende Arbeit, indem er
die hebräischen, chaldäischen, griechischen und lateinischen Terte neben
einander stellte (die complutensische Polyglotte 1515 —1517). Mitt-
lerweile waren die heiligen Schriften auch in die übrigen Landes-
sprachen***) des christlichen Westeuropa übersetzt und durch zahlreiche

*) DieNebersetzung gaben heraus: Junius, Dortr. 1665. Knittel und
Ihre, Zahn 1805. C. von der Gabelentz und I)r. Lobe, Altenb. 1836. 4.
Einzelne Fragmente Maßmann. Das Literarische bei Grasse, I. 1094.
**) L. v. Eß, pragmatisch-kritische Geschichte der Vulgata. Tüb.
1824. 8. Das Literarische bei Graffe, Lehrbuch einer Literargeschichte, I.
1090 ff. G. Riegler, Geschichte der Vulgata. Salzb. 1820. 8.
***) Die Deutschen haben die meisten Uebersetzungen der Bibel ver-
anstaltet. Schon Karl der Große ließ eine Uebersetzung unternehmen.
Ludwig der Fromme und Ludwig der Deutsche folgten seinem Beispiele. Von
 
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