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Das christliche Europa.
Paris, Gottorp, Nürnberg, München, London, vor allen aber Rom
wurden die Mittelpunkte für die Ansammlung solcher wissenschaftlichen
Schätze, die anderwärts in Kirchen und Bibliotheken aufbewahrt
wurden. In früher Zeit bewahrte man, wie z. B. in den Museen
des Olaf Worin, Calceolari, Cuspiani, in der Sammlung zu St.
Genevieve, in Gottorp, Ambras, alles bunt durcheinander auf. Der
wachsende Vorrath und die mit demselben fortschreitende Erkenntniß
brachte Ordnung in die Aufbewahrung und Gliederung in die Massen.
Die neuere Zeit hat in London, Wien, Berlin, Dresden und München
großartige Erscheinungen in dieser Beziehung entstehen sehen. Die
Münchener Glyptothek und das neue Museum in Berlin sind die
Muster für Aufbewahrung derartiger Schätze geworden.
Die Dichtkunst
des christlichen Westeuropa ging aus den verschiedenartigen Elementen
hervor, welche das eindringende Christenthum und die aus dem Nor-
den und Osten heranziehenden Germanen bei den vorhandenen roma-
nischen und keltischen Völkern vorfanden.
Die germanischen Völker brachten einen reichen Schatz der herr-
lichsten Sagen von ihren Göttern und Helden mit nach Deutschland,
der auch hier fortwährend vermehrt wurde, wie denn Tacitus der
Lieder erwähnt, in denen Armins Tchaten gefeiert wurden. Aehnliche
Lieder hatten jedenfalls auch die keltischen Nationen gehabt, sie waren
aber zum Theil durch römischen Einfluß mehr verdrängt worden.
Dazu kam sodann, daß Franken, Burgunder und Westgothen in
Frankreich und Spanien ihre Sagenkreise geltend machten.
Das Christenthum, welches weltliches Wissen und weltliche Poesie
nicht förderte, ja die aus dem Heidenthum stammende Poesie zurück-
weisen mußte, veranlaßte nun eine neue Richtung, die sich denn auch
in den ersten christlichen Dichtern ganz deutlich darstellt. Wir finden
unter diesen christlichen Dichtern zunächst den Hymnus bearbeitet,
dann didaktische und epische Darstellungen christlicher Lehren und
Geschichten, endlich aber auch dramatische Versuche. Es wurden aber
auch Geschichten der Zeit und weltliche Sagen in der Kirchensprache
bearbeitet, wobei man das epische Versmaaß, den Hexameter, benutzte.
Die ältesten Hymnen verfaßte der Bischof von Poitiers, der
heilige Hilarius und der heilige Ambrosius, Bischof von Mailand.
Sie fanden zahlreiche Nachfolger und die katholische Kirche hat viele
dieser Hymnen beibehalten. Es waren begeisterte Lobgesänge auf die
Geburt und die Lebensgeschichte Christi, der heiligen Jungfrau, der
Märtyrer u. s. w. Diese rein kirchliche Richtung herrschte bis in
die Zeiten der Hohenstaufen vor. Die meisten Dichtungen, auch die,
welche weltliche oder sagenhafte Stoffe zum Gegenstand hatten, waren
lateinisch abgefaßt. In den italienischen, wie in den französischen,
Das christliche Europa.
Paris, Gottorp, Nürnberg, München, London, vor allen aber Rom
wurden die Mittelpunkte für die Ansammlung solcher wissenschaftlichen
Schätze, die anderwärts in Kirchen und Bibliotheken aufbewahrt
wurden. In früher Zeit bewahrte man, wie z. B. in den Museen
des Olaf Worin, Calceolari, Cuspiani, in der Sammlung zu St.
Genevieve, in Gottorp, Ambras, alles bunt durcheinander auf. Der
wachsende Vorrath und die mit demselben fortschreitende Erkenntniß
brachte Ordnung in die Aufbewahrung und Gliederung in die Massen.
Die neuere Zeit hat in London, Wien, Berlin, Dresden und München
großartige Erscheinungen in dieser Beziehung entstehen sehen. Die
Münchener Glyptothek und das neue Museum in Berlin sind die
Muster für Aufbewahrung derartiger Schätze geworden.
Die Dichtkunst
des christlichen Westeuropa ging aus den verschiedenartigen Elementen
hervor, welche das eindringende Christenthum und die aus dem Nor-
den und Osten heranziehenden Germanen bei den vorhandenen roma-
nischen und keltischen Völkern vorfanden.
Die germanischen Völker brachten einen reichen Schatz der herr-
lichsten Sagen von ihren Göttern und Helden mit nach Deutschland,
der auch hier fortwährend vermehrt wurde, wie denn Tacitus der
Lieder erwähnt, in denen Armins Tchaten gefeiert wurden. Aehnliche
Lieder hatten jedenfalls auch die keltischen Nationen gehabt, sie waren
aber zum Theil durch römischen Einfluß mehr verdrängt worden.
Dazu kam sodann, daß Franken, Burgunder und Westgothen in
Frankreich und Spanien ihre Sagenkreise geltend machten.
Das Christenthum, welches weltliches Wissen und weltliche Poesie
nicht förderte, ja die aus dem Heidenthum stammende Poesie zurück-
weisen mußte, veranlaßte nun eine neue Richtung, die sich denn auch
in den ersten christlichen Dichtern ganz deutlich darstellt. Wir finden
unter diesen christlichen Dichtern zunächst den Hymnus bearbeitet,
dann didaktische und epische Darstellungen christlicher Lehren und
Geschichten, endlich aber auch dramatische Versuche. Es wurden aber
auch Geschichten der Zeit und weltliche Sagen in der Kirchensprache
bearbeitet, wobei man das epische Versmaaß, den Hexameter, benutzte.
Die ältesten Hymnen verfaßte der Bischof von Poitiers, der
heilige Hilarius und der heilige Ambrosius, Bischof von Mailand.
Sie fanden zahlreiche Nachfolger und die katholische Kirche hat viele
dieser Hymnen beibehalten. Es waren begeisterte Lobgesänge auf die
Geburt und die Lebensgeschichte Christi, der heiligen Jungfrau, der
Märtyrer u. s. w. Diese rein kirchliche Richtung herrschte bis in
die Zeiten der Hohenstaufen vor. Die meisten Dichtungen, auch die,
welche weltliche oder sagenhafte Stoffe zum Gegenstand hatten, waren
lateinisch abgefaßt. In den italienischen, wie in den französischen,