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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 9): Das christliche Westeuropa: mit 6 Tafeln Abbildungen — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1851

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63449#0363

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Der öffentliche Verkehr. 353
im americanischen Pönitentiarsystem und den Buß- und Besserungs-
häusern der Schweiz in Vorschlag und zum Versuch gebracht.
Eigenthümlich ist es der europäischen Gesetzgebung, daß sie nur
negativer Art ist und der Straft bei weitem mehr Aufmerksamkeit
zuwendet, als der Aufmunterung und Belohnung. Sie unterscheidet
sich darin wesentlich von der chinesischen (s. C. G. VI. 218). Doch
hat die neuere Zeit auch hierin Versuche gemacht in den Prämien,
die auf Lebensrettungen, auf Belohnung verdienter Staats- und
Privatdiener u. s. w. gesetzt worden.
Bevor wir das unermeßliche Feld europäischen Rechtswesen
verlassen, müssen wir noch einiger Seltsamkeiten gedenken, welche im
Bereich desselben erschienen. Es sind dies Gerichte mit Geistern und
Thieren, Verklagung und Verurtheilung derselben. Von einem Ge-
richt gegen Todte, welche einen Hof fortwährend besuchten, die
dort Lebenden beunruhigten, deshalb vorgeladen und durch feierlichen
Richterspruch verbannt wurden, erzählen Olassen und Pavelfon in
ihrer Reise nach Island (I. 196). Im Jahre 1519 wurde zu Glurns
ein Gericht gegen die Feldmäuse gehalten, welche die Felder der
Gemeinde Stielfs verwüsteten. Es wurde den Thieren ein Procurator
bestellt und sie vernrtheilt, jene Acker binnen vierzehn Tagen zu räumen
und nie wieder dahin zurückzukehren; wäre aber eines der Thierlein
schwanger oder könnte eines Jugend halber nicht mit fortkommen,
so sollte es von Jedermann ein frei sicher Geleit haben 14 Tage
lang (Hormayr, Taschenb. 1835. S. 298).
Der öffentliche Verkehr
ist nicht minder Gegenstand der Aufmerksamkeit des Staates, als die
Gerechtigkeitspflege. Doch war in früherer Zeit die Beachtung des
Verkehrs mehr Sache- der Gemeinden und daher in den Städten am
frühesten ausgebildet.
Die erste Bedingung desselben ist die Sicherheit des Eigenthums
gegen Angriffe von Innen und Außen. Wir sahen, wie schon die
Kaiser seit Rudolf von Habsburg durch die Landfrieden darauf be-
dacht waren, das Eigenthum zu schirmen, welche große Hindernisse
ihnen jedoch das Fehdewesen in den Weg legte. Größere Sicherheit
erlangten die deutschen Lande, als die Fürstengewalt mehr Ansehen
gewann und diese die Ordnung kräftiger zu handhaben im Stande
waren. Dies war in Frankreich bei weitem leichter, wo die könig-
liche Gewalt viel früher allgemeine Geltung gewann. In Frank-
reich findet sich schon ini 14. Jahrh. eine Beaufsichtigung des öffent-
lichen Verkehrs, 1255—1257 erschienen Verordnungen gegen Privat-
kriegen und Fehven, welche dieselben geradezu untersagten.*) Vollkom-
mene Sicherheit gewährte in Deutschland nur das Innere der Städte. Wir

*) Warnkönig, franz. Staats- und Rechtsgesch. I. 365.
IX. 23
 
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