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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 9): Das christliche Westeuropa: mit 6 Tafeln Abbildungen — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1851

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.63449#0281

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Die verschiedenen Stande. 271
Wir mußten diese flüchtige Skizze des allgemeinen Ganges der
europäischen öffentlichen Zustande vorausschicken, bevor wir zur nähern
Betrachtung der einzelnen Glieder des europäischen Staatswesens
übergehen konnten.
Die Glieder des Staates aber sind die Bewohner desselben, die
sich nach Geburt, Besitz, Beschäftigung, Beruf, in verschiedne
Stände
trennen, welche denn zusammen den Staat bilden, der, wie wir sahen,
überall auf Erden aus der Familie erwachsen ist und da, wo er nach
den Gesetzen organisirt ist, welche der Familie von der Vorsehung
zum Grunde gelegt sind, zu einem beglückenden Ganzen sich gestaltet.
Diese Grundlagen sind aber die Gefühle des dankbaren Gehorsams
der Kinder und Jüngeren gegen die Aelteren, der Niederen gegen die
Höheren und der willigen Unterweisung, Förderung und Beschützung
der letzteren gegen die ersteren. Die Vorsehung hat diese Gefühle in
die Brust eines jeden Menschen gepflanzt und es bedarf nur der er-
weckenden Pflege, um sie zur Entwickelung und Kraft zu bringen.
Das war die Kunst der Herrscher des alten Peru, Aegypten und des
Orients, namentlich Chinas.
Die Stände des christlichen Westeuropa aber waren nach der
Geburt in Unfreie und Freie, nach der Beschäftigung und dem Auf-
enthalte jedoch in Landbauer, Handwerker und Städter, dann in den
Kriegsadel, die Fürsten und endlich in die Weltlichen und Geistlichen
gesondert.
Leibeigene und Knechte
waren ursprünglich nur die passiven Ureinwohner der keltischen und
germanischen Lande oder auch Mitglieder der activen Rasse, deren
Freiheit durch die Kriegsgefangenschaft, Unglück im Spiel oder Ver-
brechen verloren worden war. Wir finden namentlich Leibeigne in
Frankreich, Deutschland und in den slawischen Landen, in letzteren
noch gegenwärtig bestehend. In Frankreich beseitigte die Revolution
die Leibeigenschaft, deren Aufhebung in den östreichischen Staaten
schon vorher, im Jahre 1781, von Kaiser Joseph II. beschlossen
wurde. In Preußen wurde 1807 die Erbhörigkeit, Erbunterchänig-
keit und Leibeigenschaft abgeschafft und bis zum Jahre 1819 ganz be-
seitigt, ebenso in Sachsen und den übrigen deutschen Landen seit 1814
die Freigebung der eigenen und frohnbaren Landleute bewerkstelligt. Die
letzten Spuren der Leibeigenschaft sind.durch die Ablösungen der neuen
Zeit bei uns verschwunden, was in Skandinavien schon in früher
Zeit der Fall war.
Der Leibeigne ist an die Scholle gebunden und Eigenthum seines
Herrn, der ihn mit dem Grund und Boden an einen anderen ver-
kaufen und erwerben kamt. Er ist seinem Herrn zu allerlei Diensten
 
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