Die Bettler und Gauner.
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In Spanien, Oestreich und England machte man viele vergeb-
liche Versuche, die Zigeuner seßhaft und zu nützlichen Bürgern zu
machen. Joseph II. ließ die Zigeuner auffordern, ihre Kinder in die
Schulen zu schicken, und gewaltsam einschreiten. Die Mütter, denen
man die Kinder wegnahm, geberdeten sich wie wahnsinnig und zer-
rissen sich die Kleider und die Jungen mußte man an Stricken um
den Leib in die Schulen schleppen. Es half aber Alles nichts.
Nicht bessere Erfolge erzielte man in Preußen. In der Colonie
Friedrichslohra, in welcher Friedrich H. allerlei Gesindel zu seßhaftem
Leben zu ziehen beabsichtigte, lebt noch jetzt eine zahlreiche Zigeuner-
bande, die das Land zwischen dem Harz und Thüringerwald mit
ihren verschiednen Künsten ausbeutet. Ebenso wenig vermochte die
Barmer Missionsgesellschaft über die Zigeuner *) und man überzeugte
sich von ihrer Unverbesserlichkeit.
Die Zigeuner sind indessen durchaus nicht eine isolirt stehende
Erscheinung in den europäischen Staaten, namentlich in dem Herzen
von Europa, in Deutschland. In Zeiten, wo der Ackerbau die
Grundlage der staatlichen Eristenz bildet oder bei den Hirtenvölkern,
auch da, wo die Bevölkerung der Städte noch mäßig und ein Jeder
hier seinen Lebensunterhalt ohne große Anstrengung findet, werden
nur wenige Individuen sich von der Gesellschaft lossagen und ihr
feindselig gegenübertreten. So lange die Städte noch in ihrem ersten
Aufblühen waren, zogen sich viele Landleute, Bauern wie Eoelleule,
dorthin und nahmen an dem Erwerb derselben lebhaften Antheil.
Die auf dem Lande zurückbleibenden Edelleute verarmten nach und
nach und es begann nun allgemach ihr Angriff auf die fahrende Habe
der Städter, der von beiden Seiten Bündnisse ins Leben rief, welche
dem Lande tiefe Wunden schlugen. Die Fehden der Edelleute mit
den Städten hatten eine allgemeine Unsicherheit des Besitzes auf dem
platten Lande zur Folge, der immer mehr sich durch die Kriege stei-
gerte, welche aus den böhmischen Religionsunruhen, besonders seit
dem Feuertode von Huß, hervorgingen. Nicht ohne großen Einfluß
war das Beispiel, das die Zigeuner gaben. Verarmte Bürger,
Bauern, entlaufene Leibeigene bildeten einen Stand, der bis in die
Mitte des vorigen Jahrhunderts eine außerordentliche Plage der
kleineren Städte und der Dörfer war. Es sind dies
die Bettler und Gauner,
die ohne Heimath, ohne Familienbande, ohne Besitz von einem Orte
zum anderen zogen und theils durch Einbruch und Gewaltthaten,
theils durch Betteln sich ernährten, wobei sie das Mitleid ihrer Mit-
*) Heister a. a. O. S. 114 und S. 144 die Z. in Ostpreußen,^ wo
interessante Notizen über ihre stete Opposition gegen geordnete Zustande.
In Freiberg herrscht nach mündlicher Mittheilung noch jetzt der Glaube,
IX. 19
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In Spanien, Oestreich und England machte man viele vergeb-
liche Versuche, die Zigeuner seßhaft und zu nützlichen Bürgern zu
machen. Joseph II. ließ die Zigeuner auffordern, ihre Kinder in die
Schulen zu schicken, und gewaltsam einschreiten. Die Mütter, denen
man die Kinder wegnahm, geberdeten sich wie wahnsinnig und zer-
rissen sich die Kleider und die Jungen mußte man an Stricken um
den Leib in die Schulen schleppen. Es half aber Alles nichts.
Nicht bessere Erfolge erzielte man in Preußen. In der Colonie
Friedrichslohra, in welcher Friedrich H. allerlei Gesindel zu seßhaftem
Leben zu ziehen beabsichtigte, lebt noch jetzt eine zahlreiche Zigeuner-
bande, die das Land zwischen dem Harz und Thüringerwald mit
ihren verschiednen Künsten ausbeutet. Ebenso wenig vermochte die
Barmer Missionsgesellschaft über die Zigeuner *) und man überzeugte
sich von ihrer Unverbesserlichkeit.
Die Zigeuner sind indessen durchaus nicht eine isolirt stehende
Erscheinung in den europäischen Staaten, namentlich in dem Herzen
von Europa, in Deutschland. In Zeiten, wo der Ackerbau die
Grundlage der staatlichen Eristenz bildet oder bei den Hirtenvölkern,
auch da, wo die Bevölkerung der Städte noch mäßig und ein Jeder
hier seinen Lebensunterhalt ohne große Anstrengung findet, werden
nur wenige Individuen sich von der Gesellschaft lossagen und ihr
feindselig gegenübertreten. So lange die Städte noch in ihrem ersten
Aufblühen waren, zogen sich viele Landleute, Bauern wie Eoelleule,
dorthin und nahmen an dem Erwerb derselben lebhaften Antheil.
Die auf dem Lande zurückbleibenden Edelleute verarmten nach und
nach und es begann nun allgemach ihr Angriff auf die fahrende Habe
der Städter, der von beiden Seiten Bündnisse ins Leben rief, welche
dem Lande tiefe Wunden schlugen. Die Fehden der Edelleute mit
den Städten hatten eine allgemeine Unsicherheit des Besitzes auf dem
platten Lande zur Folge, der immer mehr sich durch die Kriege stei-
gerte, welche aus den böhmischen Religionsunruhen, besonders seit
dem Feuertode von Huß, hervorgingen. Nicht ohne großen Einfluß
war das Beispiel, das die Zigeuner gaben. Verarmte Bürger,
Bauern, entlaufene Leibeigene bildeten einen Stand, der bis in die
Mitte des vorigen Jahrhunderts eine außerordentliche Plage der
kleineren Städte und der Dörfer war. Es sind dies
die Bettler und Gauner,
die ohne Heimath, ohne Familienbande, ohne Besitz von einem Orte
zum anderen zogen und theils durch Einbruch und Gewaltthaten,
theils durch Betteln sich ernährten, wobei sie das Mitleid ihrer Mit-
*) Heister a. a. O. S. 114 und S. 144 die Z. in Ostpreußen,^ wo
interessante Notizen über ihre stete Opposition gegen geordnete Zustande.
In Freiberg herrscht nach mündlicher Mittheilung noch jetzt der Glaube,
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