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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0245

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Korrespondenz aus Dresden.

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Lehrs in der Einleitung zu seinem oben erwähnten Ver-
zeichnis unser Jahrhundert als das „der Kunstent-
wöhnung" bezeichnet, so gehört gerade Dresden zu den-
jenigen Städten, in denen diese Kunstentwöhnung weit
um sich gegriffen hat. Das hiesige gebildete Publikum,
das so reges Interesse an der Musik und dem Theater
nimmt, kümmert sich nur zum geringsten Teil um die
modernen Erscheinungen der bildenden Kunst. In Folge
dieser Gleichmütigkeit hat sich der Inhaber des Lichten-
bergischen Kunstsalons, Herr Ferdinand Morawe, ge-
nötigt gesehen, seine regelmäßigen Ausstellungen auf-
zugeben und sich auf die Weiterführung seiner Kunst-
handlung zu beschränken. Diese Geschäftsaufgabe
bedeutet einen beklagenswerten Verlust für die Dresdener
Kunstfreunde, da uns wenigstens einzelne Ausstellungen
in dein genannten Salon, die allerdings von sehr ver-
schiedener Bedeutung waren, die Bekanntschaft mit
den besten Erscheinungen der Gegenwart vermittelten.
Wir erinnern nur an die Ausstellung der Werke
Klinger's und an das erste gemeinsame Auftreten der
Dresdener Secessionisten, das leider noch nicht wiederholt
worden ist.

Um so mehr Anerkennung verdient das Verhalten
unserer anderen Kunsthandlung, der von Emst Arnold
(Adolf Gutbier), die mit ungewöhnlicher Energie den
Kampf gegen die Teilnahmslosigkeit der Dresdener weiter-
führt und hierin rühmlich von der Dresdener Presse unter-
stützt wird. Sie hat in jüngster Zeit sogar einen ent-
schiedenen Erfolg zu verzeichnen, der sie hoffentlich in
ihrem Bestrehen bestärken wird, da die von ihr im
April und Mai veranstaltete „Internationale Porträt-
Ausstellung" reichlicher als alle anderen früheren Aus-
stellungen besucht worden ist. Es war aber auch eine
Freude, sich in dieser ungemein geschickt und geschmack-
voll arrangirten Ausstellung zu bewegen, und an den
hier vereinigten Proben der besten modernen Meister
zu ersehen, wie hoch gerade die Bildniskunst in unserer
Zeit entwickelt ist. Nach unserem Dafürhalten hat auch
diese Zusammenstellung aufs neue wieder bewiesen, dass
auf diesem Gebiete die Engländer obenan stehen. Denn,
obwohl die ersten Meister der Porträtmalerei in Eng-
land, die Ouless, Bichmond, Watts und Whistler in der
Ausstellung fehlten, so ließen doch die Bilder George
Sauter's und E. A. Walton's aus London erkennen, mit
welcher ruhigen Sicherheit in England das Bildnis be-
handelt wird, und wie die dortigen Maler sich glücklich
von jedem Streben nach Effekt und Aufsehen fern halten,
um nur durch die Vollendung in der Durchführung und
durch eingehende, niemals peinliche Charakteristik zu
wirken. Das gilt vor allem von Sauters Porträt des
Prinzen Troubotzkoi im Sportkostüm, das uns wegen
seiner Frische, Kraft und Gesundheit entzückte, aber
auch Walton's Porträt von Mrs. E. A. Walton war eine
Leistung ersten Eanges. Unter den französischen Por-
träts interessirte uns das Selbstbildnis Eugene Carriere's

am meisten. Man sah bei ihm nur den Kopf direkt
von vorn und stutzte zunächst über den einfarbigen,
etwas verschwommenen braunen Ton. Wenn man aber
das Bild näher betrachtete, so fesselte der lebhafte Aus-
druck in den dunkeln Augen, die den Beschauer scharf
zu fixiren scheinen, und erkannte den originellen, auf
sein Ziel energisch ausgehenden Künstler, der ähnliche
Wirkungen auch in seinem mit Steindruck hergestellten
Bildnis von Alphottsc Daudet und in einem Frauenkopf
erreicht hat. Eine entschiedene Meisterleistung durften
wir weiter in Erik Werenskiold's Porträt Henrik Ibsen's
erkennen. Der kalte, helle Hintergrund, die dünne
Farbe and die scharfe Zeichnung, die jeden Zug des
Gesichtes genau erkennen ließ, ergaben zusammen einen
so charakteristischen Gesamteindruck des grübelnden
Menschenbeobachters, dass wir Werenskiold's Bildnis weit
höher schätzen, als das von vielen Ausstellungen her
bekannte Bild eines anderen Landsmannes Ibsen's, des
in München ausgebildeten Smith's. Unter den hol-
ländischen Arbeiten verdienen die interessanten durch
Steindruck vervielfältigten Charakterköpfe Jan Veth's aus
Bussum in Holland hervorgehoben zu werden, während
Jan Leempoels' Doppelbildnis: „Mein Bruder und ich"
bei aller Lebendigkeit unter einer gewissen Härte der
Farbengebung, die zu wenig diskret wirkt, leidet. An
der Spitze der deutschen Porträtmaler stand wiederum
unbedingt Franz von Lenbach. Seine Vorzüge und
Schwächen sind so bekannt, dass es Kaumvergeudung
wäre, wollten wir diese bekannten Dinge hier noch ein-
mal wiederholen. Wir begnügen uns daher darauf hin-
zuweisen, dass er diesmal in dem lebensgroßen, noch
wenig bekannten Porträt des Baron Heldorf ein Werk
geschaffen hat, das in seiner brillanten Durchführung
aller Teile, d. h. in diesem Falle auch der Figur und
der Kleidung, mit den frischesten englischen Porträts
rivalisiren kann. Es will viel sagen, wenn wir sofort
nach dieser Meisterleistung Lenbach's der verschiedenen
Porträts des Dresdener Malers Karl Bantxer, der soeben
erst zum Professor an der Dresdener Akademie ernannt
worden ist, gedenken können. Wer aber unbefangenen
Auges die Menge der vorhandenen Bildnisse geprüft hat,
wird unschwer erkannt haben, dass Dresden in Bantxer
einen Porträtisten besitzt, auf den es stolz sein darf.
Vor allem entzückte uns sein schon im Jahre 1887 ent-
standenes und bereits auf der ersten Dresdener Aquarell-
ausstellung vorgeführtes Porträt seines Freundes, des
Landschaftsmalers Bitter, aufs neue, da es in der That
in Bezug auf Natürlichkeit der Haltung, Ungesuchtheit
und Ähnlichkeit den höchsten Ansprüchen genügt. Aber
auch die übrigen Bildnisse Bantzer's, das seiner Mutter,
des Malers Bobert Sterl, und das einer jüngeren Dame
in vornehmer Toilette, vermochten sich in der gewählten
Umgebung wohl zu halten und ließen gleichzeitig die
Vielseitigkeit und Koutine des Malers erkennen, der
jedes seiner Modelle in der für sie am meisten charak-
 
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