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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Feld, Otto: Die Ausstellungen in den Champs-Elysées und auf dem Champ-de-Mars
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0254

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Die Ausstellungen in den Champs-Elysees und auf dem- Champ-de-Mars. I.

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zwei Frauengestalten schweben. In rücksichtslosem
Drängen strebt eine Menge modern gekleideter Menschen
aller Altersklassen, jedön Standes, Männer wie Frauen,
den Hügel hinan. Mit ausgestreckten Händen scheinen
sie alle die beiden Gestalten am Himmel erfassen zu
wollen, die lächelnd herniederschauen. Vorn stürzt ein
Paar, sich umschlungen haltend, in die Tiefe. — Das
Ganze ist in schweren schwärzlichen Tonen gemalt und
als Malerei gleicher Weise unerfreulich wie das Bild
von Pelez „L'humanite" mit seinem — sicher beabsich-
tigten — Mangel jeglicher Valeurs und den harten
grellen Farben, in denen Figuren wie Landschaft
mehr angestrichen als gemalt sind. Vor einer grünen
Kasenfläohe zeigt uns der Künstler eine Anzahl Men-
schen an dem Kiesweg eines öffentlichen Gartens auf-
gereiht. Ganz links einige alte verhärmte Weiber, die
vor sich hinstieren, dami einen Arbeiter, der einen Arm
in der Binde trägt, ein paar blasse, von Hunger halb
verzehrte Weiber, die ihren Kindern die magere Brust
reichen und nach zwei fetten aufgeputzten Ammen hin-
über schauen, die derselben Pflicht obliegen. Einige
in Lumpen gekleidete, wie einige elegant angezogene
Kinder, eine Puppe, ein Hündchen in schöner Decke,
eine Gruppe Bürgersfrauen, die verächtlich einer vor-
übergehenden Kokette nachblicken, daneben ein Strolch
und ganz rechts in der Ecke ein auf seinem Stuhle be-
haglich schnarchender Spießbürger. Die lange Linie,
in der die Figuren angeordnet sind, wird in der Mitte von
einem Kreuz überragt, von dem eine halb schemenhafte
Christusfigur fortzustreben scheint. Ich fürchte, dass
der Maler selbst nur unklare Vorstellungen davon gehabt
hat, was er eigentlich habe ausdrücken wollen. Den
Beschauern wird es vor dem Bilde jedenfalls nicht deut-
lich werden, was hier beabsichtigt ist. —

Ein wenig verständlicher und vor allem als Malerei
besser ist „L'hommeaux poupees" von/. Veber. Ein Mann,
dem das Zeichen des Irrsinns auf der blassen Stirn steht,
lehnt, umgeben von allerlei Puppen, einer Minerva,
einer Jungfrau Maria, dem Tod, Harlekinen etc., in einem
Sopha, in seinen Händen eine gekrönte Puppe haltend,
die er zu zerbrechen scheint. Neben ihm auf dem Sitz
schlummert ein nacktes Weib — vermutlich das Sinn-
bild blühenden Lebens, das der Mensch verachtet, bei
seinem thörichten, Verderben bringenden Spiel mit
Chimären. —

Auch die Historien-Malerei im engeren Sinne ist
hier noch immer wie alljährlich vertreten. Ein „Spa-
ziergang des Hofes in den Gärten von Versailles" von
Oeröme, ein „Germanicus" von Lionel Rayer, ein
„Rückzug aus Russland" von Rouffet, eine „Cirie", eine
„Arena", u. s. w. Das malerisch bedeutsamste Bild
dieser ReSie ist von Tattegrain, der eine Schreckens-
scene aus der Belagerung von Chäteau-Gaillard durch
Philippe-Auguste vorführt, die uns in einer gut gegebenen
Winterlandschaft die aus der Stadt vertriebenen „Bouches

iuutiles" zeigt, Elende, Kranke, die vom Hunger zur
Verzweiflung getrieben, mit den Händen Fetzen Fleisches
von den Leichnamen reißen, die sie am "Wege finden,
und den schneebedeckten Boden durchwühlen, um etwas zu
erhaschen, das ihren Hunger zu stillen vermöchte. „Le
Christ au linceul" von Henner ist nichts mehr und
nichts weniger als ein Akt, gut gezeichnet, und etwas
weichlich modellirt, wie Henuer dergleichen nun schon seit
so vielen Jahren macht. —

Aus den dekorativen Arbeiten ragt buch hervor
der Fries, den Henri Marlin für das Hotel de ville ge-
nialt hat. Vor einem hellen Himmel, der durch sonnen-
beleuchtete Stämme blickt, sind eine Reihe Figuren,
Porträts wie Allegorieen, meisterhaft angeordnet, die
zwanglos und allgemeinverständlich ..Musik und Skulptur"
versinnbildlichen. Die Farbe des Bildes ist von leuchten-
der Kraft und Schönheit. Modernstes Können dient hier
in vollendeter Weise dem dekorativen Zweck, dem das
Bild bestimmt ist. Unter den sonstigen derartigen Ar-
beiten sind bemerkenswert durch hellen Ton und gute
Zeichnung, wenn auch konventionell in der Erfindung,
ein Plafond von Marioion „Gammes d'amour" und Maig-
ncm's figurenreiche Dekoration.

Die natürlich zahlreichen Genrebilder bieten nichts
Neues oder besonders Bemerkenswertes. Es ist der
alte Bestand von Kindern mit oder ohne lächelnde
Mütter, von Schusterjungen, Nonnen etc. Durch
malerische Qualitäten zeichnen hier sich aus Or-
chardson's „Le jeune duc" wie die gut beobachteten
„ceramistes" von Marec. Die seit einigen Jahren übliche
Bildhauerwerkstätte fehlt so wenig, wie die alljährlich
wiederkehrende Scene aus einem Krankensaal; neu ist
in diesem Salon als bisher wohl noch nicht gewagt die
Schilderung — einer Entbindung. — Die Landschaft ist
merkwürdig schwach — auch der Zahl nach — ver-
treten. Tanzi bringt ein sehr gut studirtes Wassel',
das von Bäumen umstanden ist, Quignon eine Sonnen-
stimmung, hell und klar und von großer Kraft. Eine
sehr schöne Herbststimmung mit großen Figuren ist
von Steck. Auch die beiden kleinen Bildchen von Quosi
sind bemerkenswert wie die feinen Stimmungen von
Flahaut. Sonst sind noch zu erwähnen die Arbeiten
von Qagliardini, Ouillemet, Parton, Normann, Brett,
Pomtelm.

Neben ihren zahlreichen Schülern und Nachahmern
erscheinen alle die „berühmten" Porträtmaler wieder,
jeder in seiner Spezialität, dieser als Ministerporträtist,
jener als der Maler eleganter — Kleider, alle mit den-
selben bekannten Vorzügen in der Wiedergabe des
Äußerlichen und mit demselben Verzicht darauf, uns von
dem Seelenleben des Gemalten etwas zu berichten,
Benjamin Comtanl, wie Bonnat, wie Lcfevre, Vollon,
Dubois etc. Eine der besten Leistungen unter den
Porträts ist das feingestimmte Frauenbildnis von Hum-
bert; auch der Engländer Orchardsm bringt ein gutes
 
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