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Die Ausstellungen in den Champs-Elysees und auf dem Champ-de-Mars. II.
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den wohl dekorativ gedachten Bildern des geschickten,
nur allzu geschickten Touche. Unter den zahlreichen
Akten scheint mir der beste von Rene Martin tax sein,
die weiblichen Figuren Aubki's sind wie immer gut ge-
zeichnet, hell und ein bischen puppenhaft wirkend. —
Bind, der in einigen Figuren in der Abendsonne
wieder eine verblüffende Kraft der Wiedergabe zeigt,
hat in einer „Maria Magdalena" einen schiefen Weg
betreten. Wir sehen ein nacktes Weib über den Leich-
nam eines nackten Mannes gebeugt, dessen Füße Wund-
male zeigen, neben einem Trümmerhaufen, den eine
Kanone krönt. Über denselben fort erblicken wir von
der Abendsonne beschienene Mauern eines Schlosses.
Eine Anzahl barhäuptiger Arbeiter blickt mit weh-
mütigen Gebärden auf die Gruppe. Alles Malerische ist
in dem Bilde vortrefflich; aber welch unglückliche Idee!
— Der „clou" der Ausstellung im Sinne des großen
Publikums ist BSraud's Bild, das die Absicht des Künst-
lers, Aufsehen zu erregen, zur Geltung bringt. In
einen reich geschmückten Speisesaal dringt eine Horde
wilder Gesellen. Die aufgescheuchten Tafelgäste fliehen
davon, nur ein junger Mann mit blassen verlebten Zügen
schwenkt hochaufgerichtet den Anstürmenden, wie ver-
achtungsvoll, seinen gefüllten Champagnerkelch entgegen.
In seinen Arm schmiegt sich ein junges Weib oder
besser gesagt eine rosa Balltoilette; denn die Darstellung
dieser mit ihrem Schmuck von Brillanten, hat augenschein-
lich dem Maler mehr am Herzen gelegen als alles andere.
Wirkt das mit Spannung erwartete „Abendmahr'
von Dagnan-Bouveret gleichfalls ein wenig theatralisch
und ermangelt des feierlichen Ernstes und der stillen
Größe, die der dargestellte Moment fordern, so ist das
Werk in Komposition und Lichtführung doch nicht ohne
Verdienst. In einer mächtigen Halle sind die Jünger
an hufeisenförmiger Tafel um den Herrn gereiht, der,
aufrecht stehend, die Schale Weines in der Hand, die
heiligen Worte zu sprechen scheint. Von ihm geht ein
helles Licht aus und beleuchtet die Köpfe der Jünger,
die ihm zugewendet oder vor sich hinschauend, in ihren
Mienen den Eindruck des eben Vernommenen spiegeln.
Die Art, wie durch die Linienführung Judas, der in-
mitten der Übrigen sitzt, isolirt erscheint, ist außer-
ordentlich geschickt. Überhaupt zeigt das Werk großes
sicheres Können, nur fehlt ihm eben die rechte inner-
liche Überzeugung und deshalb auch Überzeugungskraft.
Puvts de Chavannes hat in einem Saal eine Reihe sehr
interessanter Studien (Zeichnungen) vereinigt. Mit den
fünf großen Panneaux, die er ausstellt, erreicht er die
Höhe früherer Leistungen meines Erachtens nicht. Die
Figuren sind schön gezeichnet, aber die Komposition
erscheint mir etwas erklügelt und die Bedeutung der
Bilder bleibt ohne Erklärung unverständlich. Auch stört
ein etwas harter bläulicher Ton, der in allen den fünf
Gemälden einen zu breiten Kaum einnimmt. Die Bilder
sind für die Bibliothek in Boston bestimmt.
Die sehr kleine graphische Abteilung bringt als
Bestes einige Arbeiten von Helleu, Jeanniot, Zorn und
Küpping, die aber nichts enthalten, was ihre Schöpfer
auf neuem Wege zeigte. Auch die Abteilung der
Skulpturen ist der Zahl wie dem Werte der Werke
nach nicht von Bedeutung. Ein bizarres Balzac-Denkmal
von Marquet zeigt auf hohem Sockel einen Sphinx-Körper,
der den Kopf des Dichters trägt; die „Divinite" des
Dänen Tegner ist in den Einzelheiten sehr hübsch, im
Ganzen aber zu gesucht geistreich. Fagel, Vallgreen,
Meunier, Rodin, Mme. Caxin sind sonst die Erwähnens-
wertesten. Desbois bringt in einem eigenen Saal eine
Anzahl tüchtiger Arbeiten in Bronze, Holz und Marmor,
vor allem aber einige vollendet schöne kunstgewerbliche
Arbeiten, Ziergefäße aller Art, mit sehr fein modellirtem
und meist vortrefflich in den Raum gebrachtem figür-
lichen Schmuck. Eine ganze Reihe von Bildhauern sehen
wir hier für die sogenannte Kleinkunst thätig. Be-
dauerlicher Weise aber passen diese Künstler ihre Ar-
beiten zumeist jenem bizarren Modegeschmack soge-
nannter Liebhaber an, die in den Schmuckgogenständen,
mit denen sie ihre Salons füllen, weniger das Anmutige
oder Schöne schätzen, als das Bizarre, das angeblich
Neue, mit dem eine kaprieiöse Künstleiiaune sie be-
schenkt. Aus solcher Beteiligung der Künstler an der
Arbeit wird freilich dem Kunsthandwerk nicht der Nutzen
erwachsen, den man erwartet.
In der großen Zahl der Arbeiten zeigen allein die
Thongefäße Cazin's in ihren schönen vornehmen Formen
und feingewählten zarten Farben, wie ein höherer kunst-
reifer Geschmack hier nützliche Anregung zu geben
vermag. Nicht ohne Reiz sind die farbigen Gläser von
Kbppings einige Einbände von Marius und Vallgreen,
Vasen von Lachenal und eine Schale Vallgreen's. Aber
auch diese Werke sind fast ausschließlich weniger Klein-
kunst als Bibelot. — In einer eigenen Abteilung sollte der
Versuch einer Dekoration eines Bibliothekzimmers gemacht
werden. Auf diese angebliche Bestimmung des Raumes weist
dort allein ein Büchergestell, das aber in seinem über-
zierlichen Aufbau mehr zur Unterbringung von Nippes
als von Büchern geeignet erscheint und in der harten
gelben Farbe des Holzes, aus dem es gefertigt ist, wie
ein störender Fleck in dem sonst meist blau gestimmten
Raum wirkt, den einige große, recht unerfreuliche Wand-
malereien und eine Überfülle von Bronzen, Gläsern,
Teppichen, Staffeleien etc. mehr wie das Wartezimmer
eines in Mode befindlichen Zahnarztes als einen stillen
einer Sammlung gewidmeten Raum erscheinen lassen. —
Die Abteilung der x\rchitektur ist winzig klein.
Auch hier überwiegt das Gesuchte, wie der Entwurf von
Bisehof für einen „Tempel zur Aufführung der Oper
Parsifal", der halb Kirche, halb Theater, auf einem Hügel
in romanischen Formen sich aufbauend gedacht ist, wie
das „Asile du reve" von Provensal, ein Gebäude, in den
I Formen einer Sphinx angelegt, deren Zweck nicht klar
Die Ausstellungen in den Champs-Elysees und auf dem Champ-de-Mars. II.
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den wohl dekorativ gedachten Bildern des geschickten,
nur allzu geschickten Touche. Unter den zahlreichen
Akten scheint mir der beste von Rene Martin tax sein,
die weiblichen Figuren Aubki's sind wie immer gut ge-
zeichnet, hell und ein bischen puppenhaft wirkend. —
Bind, der in einigen Figuren in der Abendsonne
wieder eine verblüffende Kraft der Wiedergabe zeigt,
hat in einer „Maria Magdalena" einen schiefen Weg
betreten. Wir sehen ein nacktes Weib über den Leich-
nam eines nackten Mannes gebeugt, dessen Füße Wund-
male zeigen, neben einem Trümmerhaufen, den eine
Kanone krönt. Über denselben fort erblicken wir von
der Abendsonne beschienene Mauern eines Schlosses.
Eine Anzahl barhäuptiger Arbeiter blickt mit weh-
mütigen Gebärden auf die Gruppe. Alles Malerische ist
in dem Bilde vortrefflich; aber welch unglückliche Idee!
— Der „clou" der Ausstellung im Sinne des großen
Publikums ist BSraud's Bild, das die Absicht des Künst-
lers, Aufsehen zu erregen, zur Geltung bringt. In
einen reich geschmückten Speisesaal dringt eine Horde
wilder Gesellen. Die aufgescheuchten Tafelgäste fliehen
davon, nur ein junger Mann mit blassen verlebten Zügen
schwenkt hochaufgerichtet den Anstürmenden, wie ver-
achtungsvoll, seinen gefüllten Champagnerkelch entgegen.
In seinen Arm schmiegt sich ein junges Weib oder
besser gesagt eine rosa Balltoilette; denn die Darstellung
dieser mit ihrem Schmuck von Brillanten, hat augenschein-
lich dem Maler mehr am Herzen gelegen als alles andere.
Wirkt das mit Spannung erwartete „Abendmahr'
von Dagnan-Bouveret gleichfalls ein wenig theatralisch
und ermangelt des feierlichen Ernstes und der stillen
Größe, die der dargestellte Moment fordern, so ist das
Werk in Komposition und Lichtführung doch nicht ohne
Verdienst. In einer mächtigen Halle sind die Jünger
an hufeisenförmiger Tafel um den Herrn gereiht, der,
aufrecht stehend, die Schale Weines in der Hand, die
heiligen Worte zu sprechen scheint. Von ihm geht ein
helles Licht aus und beleuchtet die Köpfe der Jünger,
die ihm zugewendet oder vor sich hinschauend, in ihren
Mienen den Eindruck des eben Vernommenen spiegeln.
Die Art, wie durch die Linienführung Judas, der in-
mitten der Übrigen sitzt, isolirt erscheint, ist außer-
ordentlich geschickt. Überhaupt zeigt das Werk großes
sicheres Können, nur fehlt ihm eben die rechte inner-
liche Überzeugung und deshalb auch Überzeugungskraft.
Puvts de Chavannes hat in einem Saal eine Reihe sehr
interessanter Studien (Zeichnungen) vereinigt. Mit den
fünf großen Panneaux, die er ausstellt, erreicht er die
Höhe früherer Leistungen meines Erachtens nicht. Die
Figuren sind schön gezeichnet, aber die Komposition
erscheint mir etwas erklügelt und die Bedeutung der
Bilder bleibt ohne Erklärung unverständlich. Auch stört
ein etwas harter bläulicher Ton, der in allen den fünf
Gemälden einen zu breiten Kaum einnimmt. Die Bilder
sind für die Bibliothek in Boston bestimmt.
Die sehr kleine graphische Abteilung bringt als
Bestes einige Arbeiten von Helleu, Jeanniot, Zorn und
Küpping, die aber nichts enthalten, was ihre Schöpfer
auf neuem Wege zeigte. Auch die Abteilung der
Skulpturen ist der Zahl wie dem Werte der Werke
nach nicht von Bedeutung. Ein bizarres Balzac-Denkmal
von Marquet zeigt auf hohem Sockel einen Sphinx-Körper,
der den Kopf des Dichters trägt; die „Divinite" des
Dänen Tegner ist in den Einzelheiten sehr hübsch, im
Ganzen aber zu gesucht geistreich. Fagel, Vallgreen,
Meunier, Rodin, Mme. Caxin sind sonst die Erwähnens-
wertesten. Desbois bringt in einem eigenen Saal eine
Anzahl tüchtiger Arbeiten in Bronze, Holz und Marmor,
vor allem aber einige vollendet schöne kunstgewerbliche
Arbeiten, Ziergefäße aller Art, mit sehr fein modellirtem
und meist vortrefflich in den Raum gebrachtem figür-
lichen Schmuck. Eine ganze Reihe von Bildhauern sehen
wir hier für die sogenannte Kleinkunst thätig. Be-
dauerlicher Weise aber passen diese Künstler ihre Ar-
beiten zumeist jenem bizarren Modegeschmack soge-
nannter Liebhaber an, die in den Schmuckgogenständen,
mit denen sie ihre Salons füllen, weniger das Anmutige
oder Schöne schätzen, als das Bizarre, das angeblich
Neue, mit dem eine kaprieiöse Künstleiiaune sie be-
schenkt. Aus solcher Beteiligung der Künstler an der
Arbeit wird freilich dem Kunsthandwerk nicht der Nutzen
erwachsen, den man erwartet.
In der großen Zahl der Arbeiten zeigen allein die
Thongefäße Cazin's in ihren schönen vornehmen Formen
und feingewählten zarten Farben, wie ein höherer kunst-
reifer Geschmack hier nützliche Anregung zu geben
vermag. Nicht ohne Reiz sind die farbigen Gläser von
Kbppings einige Einbände von Marius und Vallgreen,
Vasen von Lachenal und eine Schale Vallgreen's. Aber
auch diese Werke sind fast ausschließlich weniger Klein-
kunst als Bibelot. — In einer eigenen Abteilung sollte der
Versuch einer Dekoration eines Bibliothekzimmers gemacht
werden. Auf diese angebliche Bestimmung des Raumes weist
dort allein ein Büchergestell, das aber in seinem über-
zierlichen Aufbau mehr zur Unterbringung von Nippes
als von Büchern geeignet erscheint und in der harten
gelben Farbe des Holzes, aus dem es gefertigt ist, wie
ein störender Fleck in dem sonst meist blau gestimmten
Raum wirkt, den einige große, recht unerfreuliche Wand-
malereien und eine Überfülle von Bronzen, Gläsern,
Teppichen, Staffeleien etc. mehr wie das Wartezimmer
eines in Mode befindlichen Zahnarztes als einen stillen
einer Sammlung gewidmeten Raum erscheinen lassen. —
Die Abteilung der x\rchitektur ist winzig klein.
Auch hier überwiegt das Gesuchte, wie der Entwurf von
Bisehof für einen „Tempel zur Aufführung der Oper
Parsifal", der halb Kirche, halb Theater, auf einem Hügel
in romanischen Formen sich aufbauend gedacht ist, wie
das „Asile du reve" von Provensal, ein Gebäude, in den
I Formen einer Sphinx angelegt, deren Zweck nicht klar