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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Bayersdorfer, W.: Münchener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0021

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Münchener Brief

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infolge ihres ganz einzigartigen Raumes, wie der
hervorragenden Qualität der einzelnen Gegenstände
als wirklich ersten Ranges bezeichnet werden muß.

Von den Veranstaltungen vorübergehenden Charak-
ters nahm und nimmt diesen Sommer und Herbst
die bayrische Gewerbeschau das Hauptinteresse in
Anspruch. Man hatte ursprünglich die Absicht, ihr
den Namen einer großen bayrischen »Dult« zu geben,
unter welcher Bezeichnung man in München eine
Art Messe versteht, wie sie z. B. jährlich zweimal in
der Vorstadt Au stattfindet und man würde dadurch
vielleicht manchen Besucher vor einer Enttäuschung
bewahrt haben. Wer hier eine Art Kunstgewerbe-
ausstellung oder auch nur in einzelnen Sparten des
Kunstgewerbes besondere Neuheiten erwartet, wird
nicht ganz auf seine Rechnung kommen. Die Ge-
werbeschau ist eine große Verkaufsausstellung von
allen möglichen Erzeugnissen des Landes, soweit sie
technischer Natur, und ihr Bestreben ist, zu zeigen,
daß bei allem, vornehmlich auch Massenartikeln
und Kleinwaren »die Forderungen eines guten Ge-
schmackes neben denen der Gediegenheit, Zweck-
mäßigkeit und Billigkeit zur Geltung zu bringen sind«.
Im Vorwort des Kataloges, den ich hier zitiere, findet
sich auch der Satz: »Nur was in Material und Aus-
führung einwandfrei und in der Formgebung von
Interesse ist, sollte nach dem Programm Zulassung
finden.« Ich fürchte, das »sollte« werden sich einige
Besucher in ihrem Katalog doppelt unterstrichen und
ein Ausrufungszeichen dazu gemacht haben, und fast
will mir scheinen, als ob der oder die Verfasser des
Katalogvorwortes selbst nicht ganz ohne Absicht
gerade diese etwas zweideutige Form des Ausdruckes
gewählt hätten. Denn in der Tat ist auf der Ge-
werbeschau, und zwar gleich in der großen, von
R. Riemerschmied mit einfachen Mitteln sehr hübsch
ausgestatteten Eingangshalle I nicht wenig, was diesem
Satz direkt widerspricht, was man zum Teil sogar er-
barmungslos mit dem gefürchteten Wort »Kitsch«
bezeichnen muß. So trifft man ferner auch im
Kirchenraum Erzeugnisse der modernen kirchlichen
Kunst ich denke vor allem an die Wandmalereien
oder an den Altar von Karl Bauer in Ulm -, die
unter keinen Umständen hier hätten Platz finden
dürfen. Wie ich höre, soll gar Verschiedenes gegen
den Willen der Juroren untergekommen sein und zwar
dadurch, daß die Aussteller, die sehr hohe Platzmieten
bezahlen mußten, darauf drangen, auch Dinge aus-
stellen zu können, bei denen sie auf einen reicheren
Absatz und Gewinn hoffen durften. Dadurch wurde
leider der Gesamteindruck verschlechtert und unge-
rechten Urteilen, die das am Einzelnen zu rügende
kurzerhand auf das Ganze übertragen, Vorschub ge-
leistet. Das ist um so bedauerlicher, als wirklich sehr
viel Gediegenes und Tüchtiges vorhanden, wie auch
die ganze Art der Anordnung und Aufstellung wohl
dem Zweck der Veranstaltung entspricht. Von der
jetzt so fleißig geübten Zusammenstimmung von
Gegenstand und Raum ist vollkommen abgesehen,
was allein schon durch die Fülle und Verschieden-
artigkeit der Objekte, die jedes für sich selbst sprechen

sollen, geboten war. Lediglich die äußere Raum-
ausstattung wurde einem Architekten oder bildenden
Künstler überlassen und hierin vielfach sehr Gutes
geschaffen, wie z. B. in dem Raum für künstlerische
Frauenbekleidung von Theodor Veil. Eine glückliche
Idee war es auch, dem Besucher neben dem einzelnen
Erzeugnis noch dessen Herstellung vor Augen zu
führen, zu welchem Zweck besondere Werkstätten
eingeräumt wurden, in der Töpferei sogar ein eigener
Brennofen seine Aufstellung fand. Nicht minder ist
die Errichtung historischer Abteilungen anzuerkennen,
die aus dem Besitz bayrischer Museen, Kirchen-
gemeinden und Privatsammler ausgewählt, den ein-
zelnen Gewerbekategorien zum Vergleich beigesellt
wurden, der freilich nicht immer zum Vorteil des
Modernen ausfällt. Im großen und ganzen aber hat
die Gewerbeschau viel Gutes hervorgebracht, und auf
jeden Fall war es schon wohltuend, einmal eine Aus-
stellung zu haben, die nicht reine Kunstausstellung,
womit man hier in München wie auch anderwärts
nachgerade wirklich übersättigt ist.

Von der Sezession erwartete man, daß sie nach
der etwas wilden Frühjahrsausstellung, in der den
Jungen sehr viel Platz überlassen worden war, im
Sommer besonders gediegen auftreten würde. Nun
ist ihre Ausstellung zwar wesentlich besser wie die
des Frühjahrs, aber doch nicht das, was man erhofft
hatte. Es fällt mir besonders auf, daß die geschmack-
volle Art der Hängung gegen früher wesentlich zurück-
gegangen ist, was wohl mit der freieren Jury und der
dadurch bedingten stärkeren Ausnützung des Raumes
zusammenhängt. Am besten war diesmal die Plastik
vertreten. Ein treffliches Bronzeporträt des Kammer-
musikers Hösl von Bernhard Bleeker, der auch in
dem Porträt der Baronin S. eine feine weibliche Büste
geschaffen hat, wurde mit Recht für die Glyptothek
angekauft. Ebenso hatte Erwin Kurz eine ernste Arbeit
in dem Bronzekopf seines Sohnes, des Architekten
O. O. Kurz geschaffen, und auch Hans Defregger über-
raschte durch ein schlichtes, gutes Bronzebildnis. Fritz
Behn hatte eine Anzahl Porträts und Tierstücke aus-
gestellt, als bestes zwei starkbewegte, kämpfende
Leoparden. Im übrigen sind die im Groben sehr
ähnlichen Porträts von Ulf. Janssen, ein vielleicht
etwas zu weich aufgefaßter Kopf des Geigers Klingler
von Ebbinghaus und vier Plaketten Münchener Per-
sönlichkeiten von 77z. Georgii zu nennen. Von den
Arbeiten größeren Stils möchte ich den weiblichen
Bronzetorso von B. Hoetger in Darmstadt für die
eigenartigste und interessanteste halten. Unter den
Malern fielen mir auf: Th. Th. Heine mit einer über-
raschend schlichten, sonnigen Landschaft, E. Buchwald-
Zinnwald in Dresden-Loschwitz, der mit Vorliebe
Landschaften mit ganz dünner Schneelage als Motiv
nimmt, U. Hübner-Travemünde mit einer guten Marine,
ferner Arbeiten von W. Klemm, Ang. Jank, dessen
»Überführung des Sarges Fritz von Uhdes durch
Militär« für den Staat angekauft wurde, den Stutt-
gartern Landenberger und Haug, dem in Tirol leben-
den, ein merkwürdiges Geschick für die Behandlung
von Reflexlichtern zeigenden Jul. Hüther und dem
 
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