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Ausstellungen
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Sevilla und von ländlichen Stierkämpfen, Vorarbeiten und
Skizzen von höchstem Reiz in der sehr persönlichen
Raumanordnung und der pikanten Auffassung der bewegten
Figuren. Auch mehrere von Geigers phantastischen Figuren-
blättern sind dabei, von denen namentlich einige Stücke
fesseln, die er »sensitive Akte« nennt, reichlich preziöse
Verrenkungen nackter Frauenkörper, aber mit starker Sug-
gestionskraft. Sehr interessant ist es, an der langen Reihe
das ungewöhnliche technische Wissen des Künstlers zu
studieren, der durch tonige Schattierungen der Fläche, durch
stehengelassenen Grat und alle möglichen Verschmitztheiten
des Ätzens besondere Effekte herausschlägt.
Cassirer bringt zu gleicher Zeit eine große Kollektion
von Gemälden desGrafen Kalckreuth. Es sind merkwürdig
verschiedene Dinge. Bald rein malerisch erfaßte Landschaften
und Porträts von höchster Qualität. Dann wieder bewußt
vereinfachende Bilder von befremdlicher Dünne und Leere
der Farbe, die fast etwas Lithographisches an sich hat.
Plötzlich wieder ganz moderne Dinge, die auf Berührungen
mit der jüngsten Gegenwart deuten, darunter ein Blick
über Häusergruppen, der fast etwas Kubistisches hat.
Trotzdem werden diese mannigfaltigen Gruppen durch die
edle Klarheit einer liebenswerten Persönlichkeit zusammen-
gehalten, die mit unbeirrter Ehrlichkeit die Welt ringsum
betrachtet und die Abbilder ihres äußeren Scheines mit
einer Spiegelung ihrer Seelengeheimnisse verbinden möchte.
Daneben findet man bei Cassirer eine Sammlung von
Bildern Edvard Münchs, die das norwegische Genie
auf neuem Wege zur einer Monumentalität zeigen, die man
schon auf der Kölner Sonderbundausstellung überrascht
bewunderte. Eine Serie märkischer und italienischer Land-
schaften Theo von Brockhusens beweist aufs neue die
sicher reifende Kraft dieses selbständigen Berliner van
Gogh-Schülers, der vom Impressionismus zu neuem Raum-
und Formgefühl aufgestiegen ist.
Das Berliner Kunstgewerbemuseum bereitet für den
Anfang des nächsten Jahres eine Ausstellung branden-
burgischer Glaskunst, also der Gläser aus den Glashütten
Joachimsthal, Potsdam und Zechlin vor.
Breslau. Im Anschluß an die Breslauer Jahrhundert-
ausstellung im Jahre 1913 wird auch eine Ausstellung für
Friedhofskunst veranstaltet werden. Neben einem länd-
lichen Musterfriedhof soll in einer geschichtlichen Abteilung
eine Auswahl des reichen Bestandes an alten Grabdenk-
mälern gezeigt werden, den die Provinz Schlesien noch
besitzt. Die neuzeitliche Abteilung wird die Erzeugnisse
der heutigen Grabmalkunst aus ganz Deutschland vereinigen.
Als Mittelpunkt der Gesamtanlage wird für Pläne der Ab-
bildungen von Entwürfen zu Friedhofsanlagen und Archi-
tekturen, sowie zur Aufnahme von Modellen und ähnlichem
ein besonderes Ausstellungsgebäude errichtet. Inmitlen
des Scheitniger Parkes werden die ausgestellten Entwürfe
einen günstigen Platz erhalten; schöne landschaftliche Um-
gebung und gärtnerischer Schmuck werden ihnen eine
hervorragende Wirkung sichern.
Karlsruhe, Badischer Kunstverein. Der Ferdinand
Keller-Ausstellung ist nun eine Weihnachtsausstellung Karls-
ruher Künstler gefolgt. Von der Masse des Gebotenen
und der Menge der Künstlerpersönlichkeiten seien folgende
hervorgehoben: Altmeister Thoma ist mit drei Landschaften
(Abend bei Siena, Landschaft am Oberrhein und »Wan-
derndes Bächlein«) von diesem Jahre vertreten. Die Frische
der Empfindung und des Vortrags in diesem seinem glück-
lichsten Genre ist aufs neue zu bewundern. Es ist er-
staunlich, mit welch einfachen Mitteln er bald die sinnliche
Glut einer italienischen Abendstimmung, bald das kühle,
klare Kolorit eines taufrischen Schwarzwaldlälchens er-
reicht. Sein Schüler August Gebhard zeigt sich zum ersten
Male mit einer größeren Kollektion. Es ist ein stiller,
reflektierender Künstler ohne jede Mache, aber mit einem
Talente begabt, das von Jahr zu Jahr schönere Früchte
zeitigt. Von Thoma beeinflußt, geht er doch seine eigenen
Wege. Neben der Landschaft pflegt er das Porträt »Eine
Frau D. mit Kind« in etwas biedermeierlichem Gewände,
aber doch ganz modern bei näherem Zusehen, fällt auf
durch gute Komposition und harmonische Farbengebung.
Sein Freilichtportiät »Dame mit Feldblumen« kontrastiert
zu diesem durch den durchs Licht mehr aufgelösten Kontur.
Hermann Baur und Georg Scholz gebärden sich in den
Farben weniger zahm und traditionell. Ersterer nähert
sich mit einer recht gut zusammengestimmten Landschaft
»Alter Garten« dem Stile Cezannes, letzterer mag von
Trübner wesentliche Anregungen erhalten haben. Sein
»Schnapstrinker« ist flott gemalt; die Farben seiner übrigen
Stücke fallen dagegen recht auseinander. Dekorativ im
Sinne Erlerscher Fresken ist ein kleines »Seebildchen« von
Hellmut Eichrodt. Von Walter Hempfings Kollektion ge-
fallen am besten zwei Strandskizzen, impressionistisch hin-
geworfen in der Art Liebermanns. Auf drei Studien von
Prof. R. Hellwag sei besonders aufmerksam gemacht.
Es sind flüchtig hingemalte, aber bildmäßige Skizzen
von einer ausgesuchten Delikatesse und Abstraktion
der Farben. Man beachte den mit »Rotten Row« be-
titelten Promenadeausschnitt, bei dem vornehmlich die
beiden Reiter gelungen sind. Durch wenige, aber modu-
lationsfähige Töne wird das Ganze zusammengehalten.
Von Otto Schließers Skulpturen ist mir sein »David« die
liebste. Seine übrigen Sachen sind im Stile noch sehr
unausgeglichen, manche konventionell und langweilig. Doch
wird man seine weitere Entwicklung abwarten müssen.
H. Th. B.
Der Kubismus in der französischen Kammer. Nun
ist der bei der Ausstellung im Herbstsalon zuerst im Pariser
Stadtrat, dann in der Presse heftig angefeindete Kubismus
auch in der Kammer zur Sprache gekommen. Der Depu-
tierte Jules Breton, ein Neffe des gleichnamigen bekannten
Malers, hat den Antrag gestellt, man solle in Zukunft dem
Herbstsalon nicht mehr das dem Staate gehörige Grand
Palais zu seinen Ausstellungen leihen, genau wie schon
im Pariser Stadtrate der nämliche Vorschlag gemacht worden
war. Der Staatssekretär lehnte jedoch dieses Ansinnen ab
und erklärte, er habe mit dem Präsidenten des Herbst-
salons gesprochen und das Versprechen erhalten, daß in
Zukunft den Kubisten nicht mehr der ihnen in diesem Jahre
gegebene Ehrenplatz eingeiäumt werde. Ebenso habe er
von Heirn Francis Jourdain, dem Präsidenten des Herbst-
salons, das Versprechen erhalten, daß die Ausländer in
Zukunft nicht mehr so zahlreich im Herbstsalon ausstellen
dürften. Man hat nämlich die Ausländerfrage mit dem
Kubismus vermengt und die Sache zuerst in der Presse
und jetzt in der Kammer so hingestellt, als ob die Aus-
länder diese neueste Offenbarung erfunden hätten. Das ist
ganz falsch, obschon die ungemein starke Beteiligung der
Ausländer am Herbstsalon keineswegs geleugnet werden
soll. In der besondern Kubistenausstellung in der Rue La
Boetie, worüber an dieser Stelle berichtet worden ist, gab
es unter vierzig Ausstellern keine fünf Ausländer, und alle
Führer der neuen Richtung sind waschechte Franzosen. Im
übrigen würde eine Behinderung und Beschränkung der
fremden Künstler in Paris sehr unklug von den Franzosen
sein, die den Ruf ihrer Hauptstadt als Zentrum des inter-
nationalen Kunstlebens eben dem zahlreichen in Paris
wohnenden, lernenden und ausstellenden fremden Künstler-
element verdanken. Wollte man die Ausländer aus den
Pariser Kunstausstellungen entfernen, so würde man da-
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Sevilla und von ländlichen Stierkämpfen, Vorarbeiten und
Skizzen von höchstem Reiz in der sehr persönlichen
Raumanordnung und der pikanten Auffassung der bewegten
Figuren. Auch mehrere von Geigers phantastischen Figuren-
blättern sind dabei, von denen namentlich einige Stücke
fesseln, die er »sensitive Akte« nennt, reichlich preziöse
Verrenkungen nackter Frauenkörper, aber mit starker Sug-
gestionskraft. Sehr interessant ist es, an der langen Reihe
das ungewöhnliche technische Wissen des Künstlers zu
studieren, der durch tonige Schattierungen der Fläche, durch
stehengelassenen Grat und alle möglichen Verschmitztheiten
des Ätzens besondere Effekte herausschlägt.
Cassirer bringt zu gleicher Zeit eine große Kollektion
von Gemälden desGrafen Kalckreuth. Es sind merkwürdig
verschiedene Dinge. Bald rein malerisch erfaßte Landschaften
und Porträts von höchster Qualität. Dann wieder bewußt
vereinfachende Bilder von befremdlicher Dünne und Leere
der Farbe, die fast etwas Lithographisches an sich hat.
Plötzlich wieder ganz moderne Dinge, die auf Berührungen
mit der jüngsten Gegenwart deuten, darunter ein Blick
über Häusergruppen, der fast etwas Kubistisches hat.
Trotzdem werden diese mannigfaltigen Gruppen durch die
edle Klarheit einer liebenswerten Persönlichkeit zusammen-
gehalten, die mit unbeirrter Ehrlichkeit die Welt ringsum
betrachtet und die Abbilder ihres äußeren Scheines mit
einer Spiegelung ihrer Seelengeheimnisse verbinden möchte.
Daneben findet man bei Cassirer eine Sammlung von
Bildern Edvard Münchs, die das norwegische Genie
auf neuem Wege zur einer Monumentalität zeigen, die man
schon auf der Kölner Sonderbundausstellung überrascht
bewunderte. Eine Serie märkischer und italienischer Land-
schaften Theo von Brockhusens beweist aufs neue die
sicher reifende Kraft dieses selbständigen Berliner van
Gogh-Schülers, der vom Impressionismus zu neuem Raum-
und Formgefühl aufgestiegen ist.
Das Berliner Kunstgewerbemuseum bereitet für den
Anfang des nächsten Jahres eine Ausstellung branden-
burgischer Glaskunst, also der Gläser aus den Glashütten
Joachimsthal, Potsdam und Zechlin vor.
Breslau. Im Anschluß an die Breslauer Jahrhundert-
ausstellung im Jahre 1913 wird auch eine Ausstellung für
Friedhofskunst veranstaltet werden. Neben einem länd-
lichen Musterfriedhof soll in einer geschichtlichen Abteilung
eine Auswahl des reichen Bestandes an alten Grabdenk-
mälern gezeigt werden, den die Provinz Schlesien noch
besitzt. Die neuzeitliche Abteilung wird die Erzeugnisse
der heutigen Grabmalkunst aus ganz Deutschland vereinigen.
Als Mittelpunkt der Gesamtanlage wird für Pläne der Ab-
bildungen von Entwürfen zu Friedhofsanlagen und Archi-
tekturen, sowie zur Aufnahme von Modellen und ähnlichem
ein besonderes Ausstellungsgebäude errichtet. Inmitlen
des Scheitniger Parkes werden die ausgestellten Entwürfe
einen günstigen Platz erhalten; schöne landschaftliche Um-
gebung und gärtnerischer Schmuck werden ihnen eine
hervorragende Wirkung sichern.
Karlsruhe, Badischer Kunstverein. Der Ferdinand
Keller-Ausstellung ist nun eine Weihnachtsausstellung Karls-
ruher Künstler gefolgt. Von der Masse des Gebotenen
und der Menge der Künstlerpersönlichkeiten seien folgende
hervorgehoben: Altmeister Thoma ist mit drei Landschaften
(Abend bei Siena, Landschaft am Oberrhein und »Wan-
derndes Bächlein«) von diesem Jahre vertreten. Die Frische
der Empfindung und des Vortrags in diesem seinem glück-
lichsten Genre ist aufs neue zu bewundern. Es ist er-
staunlich, mit welch einfachen Mitteln er bald die sinnliche
Glut einer italienischen Abendstimmung, bald das kühle,
klare Kolorit eines taufrischen Schwarzwaldlälchens er-
reicht. Sein Schüler August Gebhard zeigt sich zum ersten
Male mit einer größeren Kollektion. Es ist ein stiller,
reflektierender Künstler ohne jede Mache, aber mit einem
Talente begabt, das von Jahr zu Jahr schönere Früchte
zeitigt. Von Thoma beeinflußt, geht er doch seine eigenen
Wege. Neben der Landschaft pflegt er das Porträt »Eine
Frau D. mit Kind« in etwas biedermeierlichem Gewände,
aber doch ganz modern bei näherem Zusehen, fällt auf
durch gute Komposition und harmonische Farbengebung.
Sein Freilichtportiät »Dame mit Feldblumen« kontrastiert
zu diesem durch den durchs Licht mehr aufgelösten Kontur.
Hermann Baur und Georg Scholz gebärden sich in den
Farben weniger zahm und traditionell. Ersterer nähert
sich mit einer recht gut zusammengestimmten Landschaft
»Alter Garten« dem Stile Cezannes, letzterer mag von
Trübner wesentliche Anregungen erhalten haben. Sein
»Schnapstrinker« ist flott gemalt; die Farben seiner übrigen
Stücke fallen dagegen recht auseinander. Dekorativ im
Sinne Erlerscher Fresken ist ein kleines »Seebildchen« von
Hellmut Eichrodt. Von Walter Hempfings Kollektion ge-
fallen am besten zwei Strandskizzen, impressionistisch hin-
geworfen in der Art Liebermanns. Auf drei Studien von
Prof. R. Hellwag sei besonders aufmerksam gemacht.
Es sind flüchtig hingemalte, aber bildmäßige Skizzen
von einer ausgesuchten Delikatesse und Abstraktion
der Farben. Man beachte den mit »Rotten Row« be-
titelten Promenadeausschnitt, bei dem vornehmlich die
beiden Reiter gelungen sind. Durch wenige, aber modu-
lationsfähige Töne wird das Ganze zusammengehalten.
Von Otto Schließers Skulpturen ist mir sein »David« die
liebste. Seine übrigen Sachen sind im Stile noch sehr
unausgeglichen, manche konventionell und langweilig. Doch
wird man seine weitere Entwicklung abwarten müssen.
H. Th. B.
Der Kubismus in der französischen Kammer. Nun
ist der bei der Ausstellung im Herbstsalon zuerst im Pariser
Stadtrat, dann in der Presse heftig angefeindete Kubismus
auch in der Kammer zur Sprache gekommen. Der Depu-
tierte Jules Breton, ein Neffe des gleichnamigen bekannten
Malers, hat den Antrag gestellt, man solle in Zukunft dem
Herbstsalon nicht mehr das dem Staate gehörige Grand
Palais zu seinen Ausstellungen leihen, genau wie schon
im Pariser Stadtrate der nämliche Vorschlag gemacht worden
war. Der Staatssekretär lehnte jedoch dieses Ansinnen ab
und erklärte, er habe mit dem Präsidenten des Herbst-
salons gesprochen und das Versprechen erhalten, daß in
Zukunft den Kubisten nicht mehr der ihnen in diesem Jahre
gegebene Ehrenplatz eingeiäumt werde. Ebenso habe er
von Heirn Francis Jourdain, dem Präsidenten des Herbst-
salons, das Versprechen erhalten, daß die Ausländer in
Zukunft nicht mehr so zahlreich im Herbstsalon ausstellen
dürften. Man hat nämlich die Ausländerfrage mit dem
Kubismus vermengt und die Sache zuerst in der Presse
und jetzt in der Kammer so hingestellt, als ob die Aus-
länder diese neueste Offenbarung erfunden hätten. Das ist
ganz falsch, obschon die ungemein starke Beteiligung der
Ausländer am Herbstsalon keineswegs geleugnet werden
soll. In der besondern Kubistenausstellung in der Rue La
Boetie, worüber an dieser Stelle berichtet worden ist, gab
es unter vierzig Ausstellern keine fünf Ausländer, und alle
Führer der neuen Richtung sind waschechte Franzosen. Im
übrigen würde eine Behinderung und Beschränkung der
fremden Künstler in Paris sehr unklug von den Franzosen
sein, die den Ruf ihrer Hauptstadt als Zentrum des inter-
nationalen Kunstlebens eben dem zahlreichen in Paris
wohnenden, lernenden und ausstellenden fremden Künstler-
element verdanken. Wollte man die Ausländer aus den
Pariser Kunstausstellungen entfernen, so würde man da-