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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Neuburger, Albert: Elektrotechnik und Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0025

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leuchtung ein- und ausgeschaltet wird, sowie die soge-
nannten »Steckdosen«, in weiteren Kreisen auch kurzweg
»Kontakte« genannt, die zum Anschließen tragbarer Be-
leuchtungskörper dienen. Der Monteur kauft sie irgendwo
und nagelt sie an. Dann bilden sie mitten in der Wand
klobige Kautschukklötze, schwarz, unschön und störend.
Um sie zu beseitigen, haben die Elektrotechniker die
sogenannten »U/iterpidzschalter« erfunden, die in die
Wand hineinversenkt werden, und die zwar recht praktisch
sind, dem Kunstgewerbe aber keinerlei Feld zur Betätigung
darbieten. Gerade hier läßt sich nun viel Schönes schaffen.
Früher bereits, in den achtziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts, hat man von kunstgewerblicher Seite derartige
Schalter entworfen, die alle Entwicklungsstadien des da-
maligen Geschmackes durchmachten. Es gab Schalter in
romanischem, in gotischem, im Jugendstil, Schalter mit
Amoretten und Mosaik und was dergleichen Geschmack-
losigkeiten mehr waren. Da die immer stärker werdende
Spannung des von den Maschinen gelieferten elektrischen
Stromes immer größere Schalter bedingte, so wurden diese
schließlich so groß und klobig, daß man das Bedürfnis
empfand, sie möglichst unauffällig zu machen. So ver-
schwanden die ornamentierten Schalter vollkommen. An
ihre Stelle trat der schwarze Kautschukschalter, der wie
ein Klex auf der Wand wirkt, oder der Unterputz-
schalter, der das Kunstgewerbe im vollsten Sinne des Wortes
vollkommen »ausschaltet«. Gerade dieses aber kann, wie
eben erwähnt, in bezug auf die Ausgestaltung schöner
Schalter sehr viel leisten. Den Beweis dafür hat England
erbracht, wo man in neuester Zeit wunderhübsche Schalter
schuf, die sich dem Gesamtbilde des Innenraums unauf-
fällig anpassen oder die, plakettenhaft gehalten, wie ein
Zierstück wirken. Gerade beim Entwurf eines derartigen
Schalters ist dem Künstler vollkommen freie Hand ge-
lassen, da er ja nur die äußere Umkleidung und den Griff
zu entwerfen braucht. Die Inneneinrichtung ist Sache des
Elektrotechnikers. Dieselben Verhältnisse wie hier sind
auch für die Schaffung von Steckdosen maßgebend.

Ein besonders dankbares Gebiet für das Kunstgewerbe
kann der elektrische Beleuchtungskörper werden. Aber
gerade für ihn sind einige Regeln unbedingt zu beachten.
Die erste dieser Regeln ist die, daß die Versorgung auch
einer großen Anzahl von Lampen mit Strom keiner be-
sonderen Zuleitung bedarf. Es ist dies eine Regel, die
sich die Künstler immer noch nicht zu eigen gemacht haben.
Für viele ist hier immer noch die alte Gasbeleuchtung maß-
gebend, bei der das Gas durch ein mittleres dickes Rohr
zugeleitet wird, von dem aus es sich dann in die vielen
einzelnen Arme verteilt, um den Brennern zuzuströmen.
So finden wir heute noch auch bei elektrischen Beleuchtungs-
körpern häufig dieses Mittelrohr, das zugleich zum Auf-
hängen des Beleuchtungskörpers dient. Nichts ist unnötiger
als ein solches Mittelstück, um das sich alles herumgruppiert.
Jeder Faden, an dem eine elektrische Lampe aufgehängt ist,
kann zur Zuleitung dienen, und damit ist die Möglichkeit
gegeben, jeden elektrischen Beleuchtungskörper in den
Raum einzugliedern, in dem er sich befindet, wobei, wie
nochmals betont sein möge, keinerlei Rücksicht auf irgend-
eine Zuleitung oder dergleichen genommen zu werden
braucht. Des weiteren ist zu beachten, daß gerade bei
der elektrischen Beleuchtung, weil hier die Lichtstrahlen
nicht wie bei Gas oder Petroleum von einer leuchtenden
Fläche, sondern von einem leuchtenden Draht ausgehen,
abends der Beleuchtungskörper selbst, wenn die Lichter
brennen, in der Regel dunkler erscheinen wird, als bei
Gas- oder Petroleumbeleuchtung. Seine Ornamentik kommt
daher fast stets nur bei Tag zur Geltung, in der Nacht ist
sie nicht oder kaum zu sehen. Deshalb möge auf sie nicht

allzu viel Mühe verwendet werden: größte Einfachheit ist
hier die größte Schönheit. Der Beleuchtungskörper muß
bei Tage sich in den Verhältnissen des Raumes anpassen,
bei Nacht, wenn die Lampen brennen, spielt er überhaupt
keine Rolle1), besonders deshalb nicht, weil es sich eben
wegen der punktförmigen Wirkung der elektrischen Glüh-
lampe empfiehlt, über jeder Lampe entweder einen kleinen
Reflektor anzubringen, um die sonst unbedingt entstehen-
den dunklen Ecken aufzuhellen, oder aber die Lampen mit
Mattglas zu umgeben, um die punktförmige Lichtaus-
strahlung in eine flächenhafte umzuwandeln. Viele glän-
zende Lichtquellen, wie man sie in kassettierten Decken
oft findet, wirken äußerst ermüdend auf die Netzhaut des
Auges und sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Gleich-
mäßige Lichtausstrahlung in den Raum läßt sich am besten
von einem mit Reflektoren oder matten Gläsern versehenen
Mittelkörper aus erzielen.

Eine bei der Einrichtung von Innenräumen oft nicht
beachtete Regel ist ferner die, daß die gewöhnliche elek-
trische Glühbirne viel weniger Licht aussendet, als das
Gasglühlicht. Infolgedessen kommt es außerordentlich
häufig vor, daß die von Künstlern eingerichteten Innen-
räume zu dunkel sind. Erst kürzlich hat sich ein hervor-
ragender, auf kunstgewerblichem Gebiete einen bedeuten-
den Namen besitzender Künstler bei der Einrichtung eines
Schlosses in der Berechnung der Lichtstärke derart geirrt,
daß man sich trotz des Vorhandenseins von acht Glühbirnen
in dem betreffenden Raum tatsächlich keine Krawatte binden
kann. Deshalb wird es gut sein, sich stets die Regel zu
merken, daß die gewöhnliche Glühlampe eine Lichtstärke
von nur sechzehn Kerzen hat, während die Lichtstärke
des Gasglühlichtes sich auf vierzig bis sechzig Kerzen
beläuft. Man muß deshalb bei der Beleuchtung eines
jeden Raumes, sofern man die gleiche Helligkeit erzielen
will, entweder mehr Lampen vorsehen, oder man muß,
wenn dies aus künstlerischen oder ästhetischen Erwägungen
heraus nicht geht, stärkere Lampen nehmen. Die Elektro-
technik fertigt auch Lampen von 32 Kerzenstärke bis hinauf
zu 100 Kerzenstärken, die sich alle noch für die Innenbe-
leuchtung eignen.

Sehr häufig ist gerade bei künstlerisch eingerichteten
Räumen aus den beiden eben erwähnten Gründen, nämlich
der Ausstrahlung von einem Punkte, anstatt von einer
Fläche sowie der geringeren Lichtstärke ein weiterer Miß-
stand zu beachten, nämlich der, daß die Ecken des elek-
trisch erleuchteten Raumes selbst dann zu dunkel sind,
wenn es in der Mitte unter dem Beleuchtungskörper hell
genug ist. Bei jeder Einrichtung ist deshalb zu erwägen,
ob auch die Ecken genügend Licht erhalten. Die An-
bringung besonderer Lampen — etwa in der kassettierten
Decke — empfiehlt sich aus den schon oben erwähnten
Gründen der Beunruhigung des Auges nicht. Hingegen
lassen sich elektrische Beleuchtungskörper ja mit leichter
Mühe und ohne Beeinträchtigung ihrer künstlerischen Wir-
kung so anbringen, daß sie in der Diagonale des Zimmers
laufen oder gar in beiden Diagonalen. Man kann ihnen
also anstatt eines runden, einen sternförmigen Grundriß
geben, bei dem die vier Arme des vierarmigen Sternes
nach den Ecken zu gerichtet sind. Natürlich muß dann
an jedem Ende der Sternarme eine Lampe angebracht sein.
Gerade diese Grundform des Sterns oder der beiden senk-
recht aufeinander gelegten Ellipsen, deren längere Achse
diagonal im Zimmer verläuft, ist eine außerordentlich
hübsche und wirkungsvolle. Sie läßt sich in mannigfachster
Weise künstlerisch ausgestalten und ist nur leider bisher

1) Doch wohl nur in bezug auf eine detaillierte Orna-
mentik, die überflüssig ist. Red.

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