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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Segmiller, Ludwig: Die Pforzheimer Gold- und Silberwarenindustrie auf der Werkbundausstellung in Köln 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0169

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Dasein fristet, sondern alle diese Gegenstände sind
Gebrauchsgegenstände. Da man Material und Technik
wieder studierte, hob sich gar mancher Humbug von
selbst auf, der in gleicher Zeit früher das Auge
»erfreute«. Die Kunst, welche der Werkbund be-
fruchten will, ist aber keineswegs nur jene des
»Zirkels und des Lineals«, es gibt vielmehr Arbeiten
in großer Zahl mit reichster Ornamentik, mit dem
reichsten Schmuck. In der österreichischen Abteilung
der Werkbundausstellung in Köln z. B. war vielleicht
vieles zu stark auf den Zierat eingestellt. Große Ab-
teilungen der Werkbundarbeit bestehen letzten Endes
eigentlich nur aus zierenden Elementen, wie die
Mode- und Bekleidungs-, Stoff-, Tapetenindustrien,
Keramik, Glasmalerei, Dekorationskünste u. a.

Es ist daher eine gänzlich falsche Annahme zu
glauben, Schmuckindustrie und Werkbund schlössen
sich als Gegensätze aus. Naturgemäß stellt der Zierat
das Grundelement der Edelmetallindustrien dar. Der
Werkbundgedanke aber verschließt sich, wie wir
sahen, dem ornamentalen Ausdruck durchaus nicht.
Er will nur die Forderungen des Materials, der Tech-
nik im Schmuck in künstlerischer Weise durchgeführt
sehen. Was der Bund verlangt, ist Qualitätsarbeit
Diese ist aber in der Edelmetallindustrie längst ge-
leistet worden. Es mußte sich also eine verbindende
Brücke schlagen lassen.

Die Schwierigkeiten, die entgegentreten, sind nicht
unerhebliche. Die Edelmetallindustrie ist zum größeren
Teile eine Exportindustrie, die in ihrer Produktion
ganz durch den Geschmack oder Ungeschmack des
Abnehmers bestimmt wird. Daran kann auch das
Wollen des Werkbundes nichts ändern, wenn wir
uns wirtschaftlich nicht schwer schädigen wollen. Die
Aufrechterhaltung der Internationalität der Bijouterie-
industrie auch nach dem Kriege ist für diese eine
Lebensbedingung. Eine Beeinflussung des Exports
wäre nur dann denkbar, wenn Deutschlands Welt-
machtstellung so gefestigt und anerkannt sein wird,
daß es die Weltmode an sich zu reißen vermag.
Vorerst aber kann die Aufgabe nur in dem Bestreben
erblickt werden, die Industrie für den deutschen Markt
geschmacklich anzuregen und vor allem das Publikum
in gleicher Art für guten Geschmack zu interessieren.
Die Bijouterieindustrie aber könnte eine Annäherung
an den Werkbund insofern als förderlich erachten,
als sie durch ihn mit einem geschmacklich gebildeten
Käuferkreis direkt in Verbindung zu treten Gelegenheit
hätte und die ernsten Bestrebungen des Bundes zur
Schaffung einer deutschen Mode, die durch die Mit-
arbeit unserer großen Frankfurter, Berliner und
Münchner Modehäuser an Bedeutung sehr gewonnen
haben, ihrerseits volle Beachtung verdienen. Schmuck
und Mode sind aber in ihren innigen Wechsel-
beziehungen untrennbar verbunden.

Ein Anfang gedeihlicher Zusammenarbeit ist in
der Abteilung der Pforzheimer Gold- und Silber-
warenindustrie auf der durch den Krieg jäh abge-
brochenen Werkbundausstellung in Köln 1914 zu er-
blicken. Es war wohl das erstemal, daß auf einer
Ausstellung im Sinne des Werkbundes Erzeugnisse

der Edelmetallindustrie zu sehen waren. Bemerkens-
wert erscheint es, daß nur verschwindend wenige
Stücke, von denen eine Auswahl in vorliegendem
Heft gebracht wird, eigens für die Ausstellung an-
gefertigt wurden. Es bedurfte lediglich der engeren
Auswahl. Die drei Hauptgruppen der Industrie,
Goldwaren, Silberwaren und Weißjuwelen, sandten
treffliche Beispiele in neuzeitlicher Auffassung.

Den Goldschmuck vertraten die Erzeugnisse der
Firma F. Zerenner. Das edle Material fand in diesen
Lösungen alle Bedingungen zu guter Wirkung vor.
Manches erinnerte an antike Strenge der Behandlung
im Sinne der materialgerechten griechischen und
etrurischen Goldschmiedearbeiten. Es war aber nirgends
versucht worden, handwerkliche Bearbeitung vorzu-
täuschen. Im Gegenteil. Es verleugnete sich nirgends
die Sprache des Fabrikats.

In Silberschmuck war eine vielseitigere Beschickung
zu verzeichnen. Die Firma Hepke & Lichten/eis brachte
gegossenen Silberschmuck. Die Motive stammen von
P. Pfeiffer (Eutingen), der sie ursprünglich als reine
Edelschmiedearbeiten durchgebildet hatte. Die Über-
tragung in Fabrikationsschmuck ist in diesem Falle
geglückt. Doch stellt sie künstlerisch immer ein
Wagnis dar. Die Schmuckstücke, Anhänger, Broschen,
auch das Armband erscheinen manchem etwas schwer,
zeichnen sich jedoch durch prächtige Metallwirkung
aus. — Julius Wimmer stellte eine größere Anzahl
von Anhängern, Broschen, Manschettenknöpfen in
Silber zur Schau. Die Entwürfe von K Btsslnger-
Pforzheim sind flott komponiert, gefällig in der
Form und streben kräftige plastische Wirkung an.
Vielfach zeichnen sie sich auch durch eine geschmack-
volle Auswahl der Halbedelsteine aus. — Wimmer
& Rieth bezeugen in der Herstellung kunstgewerb-
licher Gegenstände Sinn für vornehme Gestaltung.
Praktisch geformte Stock- und Schirmgriffe und eine
tulierte Lampe seien hervorgehoben. — Th. Fahrner
durfte auf der Werkbundausstellung mit seinen allseits
bekannten Leistungen nicht fehlen. Aus der reichen,
aber in jeder Hinsicht interessanten Beschickung stechen
besonders die schwarz, grün oder blau emaillierten
Anhänger durch eigenartige Musterung hervor. Zarte
Golddrähte und Perlen ergeben das Motiv. Einige
Entwürfe, auf Grund von Anregungen fränkischer
oder merowingischer Schmuckstücke entstanden, ver-
fallen niemals in geistlose Nachahmung, sondern
gehen eigene Wege. Zu erwähnen sind auch die
reichfarbigen Emailschmuckstücke, die auf zarten
Spitzen getragen, sich reizvoll ausnehmen.

Zu den schwierigsten Aufgaben, welche die Edel-
metallindustrie zu lösen hat, gehört der Juwelen-
schmuck. Tonangebend war Paris; in den Spitzen-
motiven, die reichlich in Metall umgesetzt wurden,
auch Brüssel. Davon sucht die neuzeitliche kunst-
gewerbliche Auffassung und der Werkbund loszu-
kommen. »Deutsch sein« heißt die Losung. Es galt
fernerhin auch einen materialgerechten, technisch reifen
Schmuck zu formen. Alles Gegensätze gegenüber
einer Industrie, die den Weltmarkt zu versorgen und
auch teilweise in Deutschland einen Käuferkreis zu

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