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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Lanz, Otto: Krieg und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0219

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Stadt Reims, die ein nationales Heiligtum besitzt, zur
Festung gemacht wurde! ! Denn die Strategie, sowohl
von Freund wie von Feind, schont, wie jeden Tag deutlicher
wird, nichts und niemand. So habe ich von einem Kollegen
aus Mecheln, der meine Klinik besuchte, gehört, wie die
berühmte St. Romboutskirche und das Rathaus einmal durch
die Deutschen unter Feuer genommen wurden, um die
Belgier zur Übergabe von Mecheln zu zwingen, dann
wieder durch die Belgier, um die Deutschen aus diesem
Orte zu vertreiben.

Die Beschießung von Reims gab Veranlassung zu ver-
schiedenen Protesten von Künstlervereinen. Leider hat
auch mein Landsmann Hodler sich verleiten lassen, einen
unwürdigen und unwahren Protest zu unterschreiben, was
Deutschland in Aufregung versetzte. Tout savoir, c'est
tout pardonner: Hodler ist das Schlachtopfer von Havas-
Lügen geworden und hat, bei seiner leicht entflammbaren
Künstlernatur, impulsiv gehandelt. An der anderen Seite
ist die Aufregung der Deutschen in diesen Zeiten von
nationaler Begeisterung zu begreifen, denn Hodler hat der
deutschen Kultur alles zu verdanken. Auch wieder ist es
begreiflich, daß Deutschland in dieser Stunde seine Söhne
nicht, wie in diesem linkischen Protest, ohne weiteres be-
leidigen läßt; Söhne, die auf französischen Schlachtfeldern
bluten, und die ebensogut moralischen Schutz verdienen
wie ein Kunstbauwerk materiellen. Möge Deutschland
die unbesonnene Tat Hodlers vergessen, sobald die un-
gestüme nationale Aufloderung wieder Platz gemacht hat
für eine ruhige, große nationale Flamme.

In der englischen Presse wurde sehr mit Recht ver-
wiesen nach den Wandgemälden in deutschen Kranken-
häusern, deren Zweck ist, die Kranken aufzumuntern. Diese
Tatsache ist ein Beweis für die Verehrung der Deutschen
für die Kunst, welcher sie einen günstigen Einfluß auf die
Genesung zuschreiben. Und wenn empfohlen wird, diesem
Beispiele in englischen Krankenhäusern zu folgen, so ist
dies anderseits ein erfreuliches Zeichen, daß man anfängt,
das Gute selbst bei dem Feinde zu bemerken und zu
schätzen.

Was nunmehr die Entente-Presse meldet von dem
Verschleppen belgischer Kunstwerke aus Kirchen und
Museen nach Deutschland, ist eine Fabel: die meisten,
unter anderem die Gemälde aus den Kirchen von Mecheln,
sind nach dem Museum von Antwerpen gebracht; so auch
die weltberühmten Gemälde aus der Kathedrale von Ant-
werpen, die in 1794 durch die Franzosen nach Paris mit-
genommen wurden, in 1816 aber wieder zurückgegeben.
Auch ist die Nachricht natürlich widersinnig, daß in Löwen
und Lier Gemälde von Rubens verbrannt wären. Denn
weder Löwen noch Lier besitzt ein Werk von der Hand
Rubens'. Wer das Museum von Lier kennt, wird ein
Lächeln nicht unterdrücken können: alles Gemälde ohne
Bedeutung. Wohl ist es möglich, daß darunter eines ist,
das unter dem Namen »Rubens« katalogisiert ist, aber auch
in diesem Falle hat es nichts mit dem unsterblichen flä-
mischen Meister zu tun; es ist und bleibt eine wertlose
Kopie.

Was ist die Wahrheit dieser Behauptungen? Der in
der Presse übel zugerichtete Bismarck unter den Museum-
direktoren, Wilhelm Bode, hat mit aller Bestimmtheit seine
Meinung dahin geäußert, daß allen Kulturvölkern ihr
eigener Kunstbesitz gelassen werden muß. »Außerdem
ist Deutschland verpflichtet, die Denkmäler in Feindesland
zu schützen, gerade wie im eigenen Lande.« Und Bode
hat den Vorschlag gemacht, einen deutschen Museum-
beamten nach Belgien zu detachieren, wenn dort Kunst-
besitz in Gefahr verkehrt. Infolgedessen hat von Falcke
Belgien bereist und, im Zusammenarbeiten mit der deut-

schen Militärbehörde, die belgischen Kunstschätze so viel
wie möglich geschützt. Mit aller Energie hat sich Bode
versetzt gegen den durch Emil Schaeffer gemachten, über-
eilten Vorschlag, eine eventuelle Kriegsschätzung in Form
von Kunstwerken zu akzeptieren, um damit bestehende
Lücken im deutschen Kunstbesitze auszufüllen.

Im gegenwärtigen Kriege ist noch auf keiner Seite das
Beispiel von Kunstentfremdung gegeben, außer durch Ruß-
land, welches die Kunstschätze von Lemberg nach Peters-
burg gebracht hat.

Und haben die Franzosen vergessen, wie sie in der
Pfalz gehaust haben? Wie mitleidslos sie mit den deut-
schen Kunstschätzen dort verfahren sind, zeigt die Ruine
des Heidelberger Schlosses.

Nicht die Deutschen haben 1870 Paris verwüstet und
die Tuillerien verbrannt, sondern die Franzosen selbst, die
Kommune.

Derartiges können die Engländer in ihrer unmittel-
baren Nähe, im Britischen Museum, an den »Elgin Marbles«
gewahr werden, denn englische Kanonen haben das wohl
größte und herrlichste Heiligtum der Kunst, welches der
Menschheit je gegeben wurde, verwüstet: das Parthenon
von Athen, dessen herrlichste Ruinen, die berühmten »Elgin
Marbles«, sie nach London verschleppt haben, wodurch sie
auf die Kunstzerstörung den Kunstraub folgen ließen. Eben-
so hat Napoleon überall die Museen und öffentlichen Ge-
bäude und Kirchen von Italien leergeplündert und den
Kunstbesitz von ganz Europa nach Paris verschleppt, um
damit das Louvre zum reichsten Museum der Welt zu
machen! Vieles mußte später wieder zurückgegeben werden,
so die bekannten antiken Pferde auf der Markuskirche zu
Venedig, wo sie heute wieder stehen und in früheren
Zeiten, mit dem Pferde von Marcus Aurelius in Rom,
den Ausgangspunkt gebildet hatten zur Schöpfung des
Pferdetypus der Renaissance, und die Bildhauer Dona-
tello, Verrocchio und den Maler Paolo Ucello und andere
inspirierten.

Es liegt nicht in meiner Absicht, mit diesen Bemer-
kungen meine vielen guten russischen, französischen und
englischen Kunstfreunde zu beleidigen. Sie werden viel-
mehr alle ohne Neid zugeben, was meine ebensovielen
guten deutschen Kunstfreunde: Bode und Friedländer für
Berlin, Swarzenski für Frankfurt, Tschudi für München,
Back für Darmstadt, Graul für Leipzig, Gronau für Kassel,
Wiehert für Mannheim und Brinckmann für Hamburg getan
haben; und sie werden mit mir einig sein, daß nicht eins
der kriegführenden Völker mehr Achtung vor Kunst hat
und kein Volk so viel allgemeines Kunstverständnis, als
gerade das deutsche.

Aus »Albrecht Dürens Vermächtnis« übersetzt
von Max Osborn:

(Dürer beschreibt in Brüssel »die Ding, die man dem
König aus dem neuen gülden Land [Mexico] hat gebracht«):

»Dann ich hab darin gesehen wunderliche künstliche Ding
und hab mich verwundert der subtilen Ingenia der Menschen
in fremden Landen. Und der Ding weiß ich nit auszu-
sprechen, die ich do gehabt hab.«

So sprach Deutschlands größter Künstler in der Fremde
stets mit höchster Achtung von fremder Kunst. Und wie
wurde der »Barbar« dafür behandelt? Er selbst berichtet:
»Ich hab in allen meinen Machen, Zehrungen, Verkaufen
und andrer Handlung Nachtheil gehabt im Niederland, in
all mein Sachen, gegen großen und niedern Ständen, und
sonderlich hat mir Frau Margareth (die Regentin) für das
ich ihr geschenkt und gemacht hab, nichts gegeben.«

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