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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Pallmann, Heinrich: Kunstseide als Ersatz für Naturseide
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0238

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Else Vogel, Freiberg i. Sa.

(bekanntlich gleicht das Verfahren bis zur Denitrisation
dem der Herstellung von Schießbaumwolle!). Man zieht
daher die Fäden zweckmäßig noch durch ein Bad von
säuerlichem, warmem Wasser und schließlich eine Lösung
von Ammoniakphosphat oder einem anderen Salmiak- oder
Aluminiumsalz. Darauf werden die einzelnen Fäden auf-
gewickelt, gewaschen und geglättet.

Zur Lösung der Nitrozellulose wendet man auch eine
Mischung von Azeton, Essigsäure und Amylspiritus an.
Infolge der Verdunstung des Azetons erstarren die Fäden
sofort nach Berührung mit der Luft. Hauptproduzenten
für Kollodiumseide sind die Vereinigten Kunstseidefabriken
zu Frankfurt a. M. mit ihren Fabriken zu Bobingen bei
Augsburg, Kelsterbach a. M. und Glattbruch bei Zürich.

Die Erfindung von Urban und Paul Fremery besteht
in einem Hindurchtreiben einer Lösung von reiner Zellu-
lose in Kupferoxydammoniak durch haarfeine Röhren in
verdünnte Essigsäure hinein. Diese zersetzt das Kupfer-
oxydammoniak und wandelt die Zellulose in glänzende
Fäden um, die man alsdann wäscht, trocknet und auf
die Spule wickelt. Schlumberger und Brommert haben
dieses Verfahren wesentlich verbessert. Das Ergebnis ist
die unter dem Namen Paula-Seide oder Glanzstoff be-
kannte Kunstseide, eines der wichtigsten Ersatzprodukte
für Naturseide.

Hinsichtlich Festigkeit, Dehnbarkeit und Glanz ist
Glanzstoff der Kollodiumseide überlegen. Bedeutende
Fabrikation treiben die Vereinigten Glanzstoffabriken A.-G.
zu Aachen in ihren Fabriken zu Oberbruch bei Elberfeld
und Niedermorschweiler bei Mühlhausen.

Die technisch hergestellte Zelluloseseide findet dank
ihren wertvollen Eigenschaften, insbesondere wegen ihres
hohen Glanzes weitgehende Anwendung in der Textil-
industrie, die sich gewiß noch bedeutend steigern lassen
wird. Ihre Hauptanwendung findet bisher statt in der
Besatz- und Posamentenbranche zur Herstellung hochglänzen-
der Spitzen, Litzen, Borten usw. für die Damenkonfektion,
weiter vor allem in der Fabrikation von seidenen Tapeten
und Dekorationsstoffen.

Erwähnenswert ist noch, daß durch Verschmelzung
mehrerer Einzelfäden während des Spinnprozesses zu einem
dicken Faden oder durch Pressen der Zelluloselösung durch
größere Öffnungen auch künstliches Roßhaar gewonnen
wird. Dieses Produkt findet in großen Mengen Anwendung
zur Herstellung von Damenhüten, Hutfurnituren usw., zur
Stoffaussteifung, auch als Ersatz für Menschenhaar.

Die Gesamtproduktion von 2500 kg täglich stellte vor
dem Kriege einen ungefähren Wert von ca. 40000 M. dar.
Der Preis war zuletzt von 50 M. pro kg auf 15 M. herunter-
gegangen. Pallmann.

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