Franz von Assisi
Don Lothar Schreyer
»'ni -j. Oktobcr dieses f^ahres gedenkt die Ehri>tenheil in besonderer Derehrung deS
^ I Franziskus. Lor 700 Jahren starb dieser seltene JTkensch, der die Nachsolge
Christi so innig lebte und kündete, daß er der Welt ein Heiliger geworden Ist.
2lus einem verschwenderischen jugendlichen Leben fand Franz früh den Weg zur Ein-
kehr. Er verkaufte alles, roas er hatte, und fchenkte es den Armen. Er sammelte die
Steine auf der Straße und baute mit ihnen das zerfallene Gotteshaus neu. Er war
cin Bruder allen JTkenschen. Er gab den Unglücklichen Trost. Er entband die Ge°
fangenen. Er heilte die Kranken. Er war der Freund der Aussätzigen, wusch und küßte
ihre Wunden, und sie genasen. Er demütigte sich vor der irdischen Gewalt und dienle
der Kirche. Er bekehrte die Heiden. Er sammelte Jünger. Er gründete den Orden,
der die katholische Kirche wieder zur Dolkskirche machen konnte. Er litt und tat Liebe.
Er sang und lobte Gott. Er predigte den Menschen und Fischen und Dögeln. Er
hatte keine Stätte, wo er sein Haupt niederlegen konnte. Er war mit allen Martern
des Leibes geplagt und mit den höchsten Freuden der Seele gesegnet. Er erlebte die
mystische Hochzeit im Schoße der Gottheit. Er sprach mit allen Zungen der Liebe. Er
empfing die heiligen Wundmale des Gekreuzigten. Er lag nackt auf der Mutter
Erde, als dcr Tod ;u ihm kam, dieweil das Bolk seinem Leben Lobgesänge sang. Als
seine Seele den Leib verließ, jubelten die Lerchen über der Stätte seines SterbenS.
Dieses Leben war heilig, weil ein Mensch sich von seinen Fehlern remigte und die
Wunder der Liebe tat. Sein Leben, in einem seltenen Maße beispielhaft, war fchon
eine Legende, während er lebte. Es war, als ob alle Sehnsucht der christlich fühlenden
Menfchen seiner Zeit innerhalb und außerhalb der Kirche in diesem einen Menfchen
zum Sinnbild wurde. Und es waren nicht nur die Gebildeten, denen er ein solches Er-
lebnis wurde, es waren vor allem die breiten Schichten des Dolkes. 2hnen war er,
der sich erniedrigte, nah. Jhnen war er „unser lieber Armer".
*
Als „unser liebcr Armer" hat dieser ganz der Einfalt und Einheit des Lebens Hinge-
gebene die Welt erobert. Er öffnete neue Tore, aus denen neue Kraft strömte, die
lnnere und äußere Welt der Menschen neu zu bauen. So weitete sich seine religiöse
Bewegung zur Kultur eines ZeitalterS. Und der kraftspendende Strom, der von ihm
ausging, ist bis heute nicht versiegt.
Die drei franziskariischen Tugenden Armut, Keuschheit, Gehorsam gebaren den rcli-
giösen Menschen wieder, schlossen den Bund mit der Gottheit von neuem. Die Jdeen
der Urkirchc waren in ihm wieder auferstanden, ohne ihn aber auf die Wege der
Häretiker zu führen. Wohl lebte und lehrte er ein Leben tiefster Kontemplation.
Aber die Kontemplation war ihm nicht Selbstzweck, sondern die Kraftquelle zur huma-
nen Tat. Sein Leben ist eine heimatlose, ununterbrochene Wanderung, crfüllt von
Beten, Predigen und Heilen. Aus der tiefen Keufchheit seines Wesens, die niemals
eine Peinigung durch Askese lehrte, strömte ihm die Kraft des Heilens, oft und wun-
derbar bestätigt. Seine Armut war die des Evangeliums. Seine Armut hat nichts
;u schaffen mit Müßiggang und Bettelei. Sie bedeutet, daß der Mensch sein Herz
an keine Güter hänge und nicht mehr besitze, als er zur täglichen Notdurft braucht.
Aber für dieses Wenige soll er auch Arbeit leisten, nicht geistliche, sondern praktische
Arbeit. Denn Franziskus war ein Mann der Zucht. Wie er sich selbst nur gefunden
hatte durch äußerste Zucht, so gab er auch seinen Brüdern die Regel. Darum ist Ge-
horsam seine dritte Tugend. Gehorsam in der Nachfolge Christi, war er ein treuer
Sohn seiner Kirche, aber auch ein verantwortlicher Sohn. Er reinigte sie und hak sie
Don Lothar Schreyer
»'ni -j. Oktobcr dieses f^ahres gedenkt die Ehri>tenheil in besonderer Derehrung deS
^ I Franziskus. Lor 700 Jahren starb dieser seltene JTkensch, der die Nachsolge
Christi so innig lebte und kündete, daß er der Welt ein Heiliger geworden Ist.
2lus einem verschwenderischen jugendlichen Leben fand Franz früh den Weg zur Ein-
kehr. Er verkaufte alles, roas er hatte, und fchenkte es den Armen. Er sammelte die
Steine auf der Straße und baute mit ihnen das zerfallene Gotteshaus neu. Er war
cin Bruder allen JTkenschen. Er gab den Unglücklichen Trost. Er entband die Ge°
fangenen. Er heilte die Kranken. Er war der Freund der Aussätzigen, wusch und küßte
ihre Wunden, und sie genasen. Er demütigte sich vor der irdischen Gewalt und dienle
der Kirche. Er bekehrte die Heiden. Er sammelte Jünger. Er gründete den Orden,
der die katholische Kirche wieder zur Dolkskirche machen konnte. Er litt und tat Liebe.
Er sang und lobte Gott. Er predigte den Menschen und Fischen und Dögeln. Er
hatte keine Stätte, wo er sein Haupt niederlegen konnte. Er war mit allen Martern
des Leibes geplagt und mit den höchsten Freuden der Seele gesegnet. Er erlebte die
mystische Hochzeit im Schoße der Gottheit. Er sprach mit allen Zungen der Liebe. Er
empfing die heiligen Wundmale des Gekreuzigten. Er lag nackt auf der Mutter
Erde, als dcr Tod ;u ihm kam, dieweil das Bolk seinem Leben Lobgesänge sang. Als
seine Seele den Leib verließ, jubelten die Lerchen über der Stätte seines SterbenS.
Dieses Leben war heilig, weil ein Mensch sich von seinen Fehlern remigte und die
Wunder der Liebe tat. Sein Leben, in einem seltenen Maße beispielhaft, war fchon
eine Legende, während er lebte. Es war, als ob alle Sehnsucht der christlich fühlenden
Menfchen seiner Zeit innerhalb und außerhalb der Kirche in diesem einen Menfchen
zum Sinnbild wurde. Und es waren nicht nur die Gebildeten, denen er ein solches Er-
lebnis wurde, es waren vor allem die breiten Schichten des Dolkes. 2hnen war er,
der sich erniedrigte, nah. Jhnen war er „unser lieber Armer".
*
Als „unser liebcr Armer" hat dieser ganz der Einfalt und Einheit des Lebens Hinge-
gebene die Welt erobert. Er öffnete neue Tore, aus denen neue Kraft strömte, die
lnnere und äußere Welt der Menschen neu zu bauen. So weitete sich seine religiöse
Bewegung zur Kultur eines ZeitalterS. Und der kraftspendende Strom, der von ihm
ausging, ist bis heute nicht versiegt.
Die drei franziskariischen Tugenden Armut, Keuschheit, Gehorsam gebaren den rcli-
giösen Menschen wieder, schlossen den Bund mit der Gottheit von neuem. Die Jdeen
der Urkirchc waren in ihm wieder auferstanden, ohne ihn aber auf die Wege der
Häretiker zu führen. Wohl lebte und lehrte er ein Leben tiefster Kontemplation.
Aber die Kontemplation war ihm nicht Selbstzweck, sondern die Kraftquelle zur huma-
nen Tat. Sein Leben ist eine heimatlose, ununterbrochene Wanderung, crfüllt von
Beten, Predigen und Heilen. Aus der tiefen Keufchheit seines Wesens, die niemals
eine Peinigung durch Askese lehrte, strömte ihm die Kraft des Heilens, oft und wun-
derbar bestätigt. Seine Armut war die des Evangeliums. Seine Armut hat nichts
;u schaffen mit Müßiggang und Bettelei. Sie bedeutet, daß der Mensch sein Herz
an keine Güter hänge und nicht mehr besitze, als er zur täglichen Notdurft braucht.
Aber für dieses Wenige soll er auch Arbeit leisten, nicht geistliche, sondern praktische
Arbeit. Denn Franziskus war ein Mann der Zucht. Wie er sich selbst nur gefunden
hatte durch äußerste Zucht, so gab er auch seinen Brüdern die Regel. Darum ist Ge-
horsam seine dritte Tugend. Gehorsam in der Nachfolge Christi, war er ein treuer
Sohn seiner Kirche, aber auch ein verantwortlicher Sohn. Er reinigte sie und hak sie