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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 19 (1. Juliheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Titel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0016

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Titel

^^oll einer sagen, wir wären keine Idealisten! Durch die Veröffent-

nach Ludwig ist herausgekonrmen, daß nicht bloß Leute,
^^die's gangbarer Ansicht nach nötig hätten, nein, daß Männer mit
anerkanntermaßen sauberen Manschetten für ein schlichtes Titelchen so viel
zu bezahlen bereit sind, wie für ein Schleckerdiner, mit dem sie doch
was viel Solideres in den Leib bekämen, ja sogar noch mehr! Viel
mehr noch soundso viel Tausende! Für ein „Professorchen^, und
gar, wenn's ohne tzerkunftsattest sein könnte! Oder für einen „Komm.«
Rat", ob Kommerzien oder Kommission bleibe dahingestellt! Für einen
„Geheimen" — oh, wäre an den zu denken? Wenn die Universitäten gar
Ehrendoktoren feilhielten, zu denen man doch sogar Kaiser ernennt, könnten
sie nicht damit ihr halbes Budget decken? Indessen aber auf der einen
Seite das Lechzen sich bis auf ^0 000 Mark-Grad erhitzt zeigt, geschieht
auf der andern Anfaßliches. In Dresden, dessen bürgerliche Bevölkerung
in deutschen Landen doch sonst nicht im Geruch unbändigen Radikali-
sierens steht, ja wohl: in Dresden haben infolge einer lächerlichen
Titelgeschichte angesehene Künstler die Regierung ersucht, den Titelkram
einzuschränken, und die Regierung hat darauf beinahe schon ja gesagt.
Sollten wir nicht bloß am tzöhepunkte, sollten wir gar schon am Wende-
punkte stehn?

Bevor wir darüber sprechen, möchten wir eine Einsendung abdrucken,
die uns zum Thema schon vor einiger Zeit zuging. Gerade, weil sie
von andern Erscheinungen aus an die Sache herantritt, als von dem
Ludwigschen Briefe, und somit diesen ergänzt.

Also man schrieb uns (unter der Aberschrift: „Titel und Name"):
tzofrat A. hat jüngst auf einer Bühne bei Brandgefahr eine Panik
verhütet, indem er ruhig weiter spielte. Geheimrat B. hat das herrliche
Violinstück sehr schön, nur etwas kühl gegeigt. Geheimrat X. hat drahtlich
dem Gerücht widersprochen, daß er an dem Wettbewerb um den neuen
Kirchenbau beteiligt sei. Professor P. hat sein großes Wandgemälde nun
vollendet. — Sind das nicht eigentlich kuriose Meldungen? Daß ein Ge-
heimrat besonnen oder kühl bleibt, das begreift man ja gewiß; allein
wie kam der tzofrat während der Vorstellung unter die Schauspieler, der
eine Geheimrat aufs Konzertpodium ohne Wohltätigkeitdraperie, der andere
ans Architekten-Neißbrett, und wie kam der Professor an ein Freskobild,
das doch sonst nur Maler machen?

Der Weltmann lächelt natürlich über solche Fragen. Es handelt sich doch
um Titel! Nur als ehrenvolle Auszeichnung, zur Verzierung also, sind
sie verliehen worden.
 
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