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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 22 (2. Augustheft 1914)
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Cauer, Paul: Aus der Schule der Griechen, [3]: Orestes und Elektra
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0311

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Eingreifen Apollons, bringt es der Dichter dahin, daß doch zuletzt alles
einen befriedigenden Ausgang nimmt. Um so schärfer fühlen wir, wie
die große Frage ungelöst bleibt.

„Wer sind die Götter? Weiß man's? — Ihre Sklaven wir." (Or. M.)
So bäumt sich der grübelnde Geist gegen eine Weltordnung auf, die
nicht nur unrecht zu leiden, wenn er eine Pflicht ganz erfüllt, den Menschen
zwingen kann, sondern auch unrecht zu tun, indem er recht Lut. Freilich
hat es zu allen Zeiten Männer gegeben, die den Glauben, daß ein heiliger
und guter Wille die Welt regiere, freudig festhielten, ohne daß man
sagen durfte, sie seien über die Probleme des sittlichen Lebens oberflächlich
hinweggeglitten. Sophokles hat in Klytämnestra die Verworfenheit, deren
ein Weib fähig ist, in Elektra die Seelenkämpfe einer edlen und starken
Dulderin mit packender Wahrheit dargestellt. Aber, was sein klarer Blick
unverhüllt schaute, mußte sich unterordnen, ja dienstbar werden der ihn
tröstenden Iuversicht, daß doch, was die Gottheit gewollt habe, nicht
anders als gut sein könne. Am solchen Glauben zu stützen, hat er

solche Eharaktere gebildet: der Widerspruch ist zum Schweigen gebracht,

nicht ausgeglichen. In uns erwacht, wenn wir ihm nachsinnen, das Ver-
langen, es müsse möglich sein, so ungeheure Schicksale rein menschlich und

doch tief poetisch zu erfassen, so daß, ohne ein Element des Abernatür-

lichen, durch inneres Erleben das Herz von trübem Wahne befreit würde.
Das ist der Gedanke, den Goethe aus der Sage von Orests Schuld und
Sühnung entwickelt hat. Paul Cauer

Lose BlLtter

Aus Lipiners Dichtrrngen

I^Wir haben zwar schon mit Watorps Aufsatz (Kw. XXV, (6) Proben
aus Lipiners Dichtungen gebracht, aber ich biete heut nochmals welche
dar. Ich gestehe, daß ich für mein Teil vor Lipiners Werken die Be-
geisterung seiner Bewunderer nicht ganz teilen kann, daß ich im besonderen
auch heute noch den Eindruck bestätigt finde, den ich vor langen Iahren beim
ersten Lesen seines „Prometheus^ empfand: Lipiners schöpferische und
gestaltende Dichterkraft ist gering. Seine Reinheit, seine Vornehmheit
und sein ringendes Streben ergreifen aber auch mich, und ich meine: es
wäre doch schön, wenn ich mich irrte, und wenn ein Friedrich Nietzsche in
so hohem Tone von diesem Dichter spricht, so ist das ja gottlob wahr-
scheinlich. Ich drucke also im folgenden zur Ergänzung von Natorps
Auswahl noch diejenigen Proben ab, die Bonus dafür empfohlen hat. A^

Gesang der Schicksalsschwestern

Klotho

^^m Anfang war ich,
^(Ich währe endlos,

O Mein Wille webet
Wesen und Welt.

Selbst ungeboren,

Gebär ich das All, —

And Welten töt ich,

Und weiß nicht, was Tod.

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