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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 24 (2. Septemberheft 1914)
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Bröcker, Paul: Die Arbeiterbewegung als Vorschule für den Krieg
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Zur Mobilmachung der Frau
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0450

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daß es sich herausstellt, wie sehr sie unbewußt seit langem Hand in Hand
gearbeitet haben. Denn beide, Ärbeiterbewegung und Militaris»
mus, die sich sonst zu unterscheiden schienen wie Feuer und Wasser, sie
fordern einsichtsvolle Einordnung des Einzelnen in das Ganze, und sind
um ihres Daseins willen darauf angewiesen, jeden Einzelnen zur Selb-
ständigkeit zu erziehen. Diese Erziehungsarbeit haben sie beide zu ihrem
Teil geleistet: Deutschland wird die Frucht dieser Saat ernten!

Es geziemt sich gerade für einen scharfen Gegner der sozialdemo--
kratischen Arbeiterbewegung, wie ich es bin, das entwicklungsmäßig
Gute in ihr anzuerkennen. Die Pflicht gebietet, zu sagen, was ist. Nach
dem Kriege wird der Kampf der Parteien wieder einsetzen. Aber möchten
wir nie wieder vergessen, was wir gemeinsam besitzen und sM zusammen
geleistet haben! Paul Bröcker

Zur Mobilmachung der Frau

uch an die Frauen werden im Kriege besondere Anforderungen ge-

stellt, und sie müssen sie erfüllen, wenn sie den Anspruch auf volle
^d^Berücksichtigung als Staatsbürgerinnen hochhalten wollen.
Kämpft der Mann draußen, so hat die Frau drinnen zu arbeiten und oft
mit Klugheit, Opfermut und Liebe in neuen Wirkungskreisen. Die Mobil-
machung des tzeeres war seit Iahren vorbereitet, die Mobilmachung der
Frau nicht. tzätten auch nur die Führerinnen der Frauenbewegung die
immer schwüler werdende politische Spannung richtig verfolgt, so stünde
vom s. August an vor uns eine Frauenmacht, wohlgerüstet und wohl-
geschult. Man denkt dabei an das so viel besprochene „weibliche Dienst-
jahr". Aber bisher ist trotz aller Frauenbewegung sehr wenig in dieser
Richtung geschehn, und das rächt sich jetzt in so manchem. Die Frau wird
vieles neu schaffen, neu einrichten müssen, um ihre Stellung in der Gesell-
schaft behaupten zu können. Es wird sich zeigen, ob sich an Ideen und
Vorschlägen produktive Köpfe unter den Frauen finden oder ob sie, was
immerhin sehr wertvoll wäre, wenigstens gegebene Anregungen ausführen
und durchbilden können. Vorläufig sind auch von den nicht-oberflächlichen
Frauen Tausende noch kopflos, untätig oder gar verzweifelt: sie finden sich
noch nicht in das Gewaltige der Zeit hinein. Diesen Schwachen müssen
die Starken helfen. Den vielversprechenden Worten früherer Tage müssen
Taten folgen, die Zeugnis ablegen von dem Werte unsrer Frauen
von heute.

Man wird und muß vielfach Anschluß suchen an die Behörden, die
jetzt im Drange eigner Geschäfte die tzilfsbereiten nicht immer freundlich
begrüßen. Sie haben nicht immer Zeit und Gemütsruhe, um Unkundige
geduldig zu belehren. Aber mit der Arbeit der Frauen wächst ihre eigne
Kraft. Das tzausmeistertalent, das die Frau früherer Iahrhunderte aus-
zeichnete, gepaart mit dem Wissen und Können der modernen Frau,
können einen guten Klang geben. Standesunterschiede wird heute die
Frau so wenig anerkennen wie der Mann. Stehen Offiziere und Mann-
schaften Schulter an Schulter, so haben Fürstin und Näherin gleich-
berechtigt nebeneinander am Friedenswerke zu schaffen. Kraft, Klug-
heit, Liebe und nochmals Liebe seien unser Rüstzeug. Das meiste wird
in der Stille geschehen. Sicherlich, vor allem Organisation ist nötig,
ganz besonders, wenn es sich um allgemeine Aufgaben handelt, um


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