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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 20 (2. Juliheft 1914)
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Schumann, Wolfgang: In Sachen Wynekens, [2]: Gustav Wyneken in seinen Schriften
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Berner, Martin: Gegen die Angriffe auf den Sport
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0136

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fragt man, worin, wodurch vollzieht er sich, welche tatsächlichen Vorgänge
des Lebens dienen als seine Anzeichen? Die „tausend Bestrebungen" usw.,
sagt Wyneken, aber er überläßt uns, uns vorzustellen, welche. Lr will
die Iugend aus Bestrebungen und Ahnungen eine Kultur formen lassen,
aber die Seiten seines Buches verraten nichts über das Wesentliche dieser
Kultur. So begnügt er sich eigentlich, eine Art kulturpolitischer Ver-
schwörer heranzubilden, Leute, die zwar wollen und agieren, aber wenig
Berührung mit dem Dasein der Menschen haben. Ich wiederhole:
diese Kritik bezieht sich auf Wynekens Schriften; was er vielleicht
über diese Leerheit hinaus mündlich, persönlich gibt, kann hier nicht berück-
sichtigt werden. Wolfgang Schurnann

(Schluß folgt)

Gegen die Angriffe auf den Sport

^>^er Sport, von dem hier allein die Rede sein soll, ist der deutsche
>-HHV o lk s sp o r t. Will man davon absehen, daß einzelne Sport-
^-^zweige infolge besonderer Bestimmungen oder Kostspieligkeiten tat-
sächlich auf bestimmte Kreise beschränkt sind — es sind verschwindend
wenige — so kann man als Teile dieses Volkssports nennen: die
Athletik (diese Bezeichnung ist international üblich geworden für die
Äbungen des Laufens, Werfens und Springens), den Fußballsport, das
Schwimmen, Radfahren, Rudern, tzockey, Lawn-Tennis, die Wintersporte
und die mannigfachen Hallensporte (wozu man das Ringen, Boxen,
Fechten rechnen kann). Auf dem Wege zu den größten Zahlen und
zur größten Volkstümlichkeit scheinen von den genannten Athletik,
Fußball und Schwimmen zu sein, vertreten durch die Deutsche Sport-
Behörde für Athletik, den Deutschen Fußballbund und den Deutschen
Schwimmverband. Sie erfordern auch nur die einfachsten oder gar keine
- Gerätschaften und Vorbereitungen. Die Gesamtzahl der in den deutschen
Sportverbänden Zusammengeschlossenen ist heute, nach nicht mehr als etwa
fünfzehn Lntwicklungsjahren, mit einer halben Million wahrscheinlich noch
zu gering angeschlagen.

Was hat den Sport zu diesem schnellen Wachstum befähigt? Die
Antwort auf diese Frage gibt gleichzeitig einen nicht zu unterschätzenden
Beitrag zur praktischen Lebenskunde und zu dem Kapitel des „Kampfes
um die Iugend". „Feine Psychologen" hat Richard Nordhausen vor
einiger Zeit anläßlich der Besprechung einer volkstümlichen Berliner Sport-
veranstaltung die Männer genannt, die in kurzer Zeit die Iugend der
Städte an ihre Ziele gefesselt haben. Sie dringen nun auch siegreich
aufs platte Land vor, wo die Iugend auch schon allerorten beginnt, Fuß-
ball zu spielen.

Es ist jedenfalls ein Irrtum, zu glauben, der Sport verdanke seine
Verbreitung seiner ausländischen Abstammung. Kein Mensch würde ihn
deswegen treiben. Aber man tut das auch nicht, um „stark zu werden"
oder um dem Vaterlande zu seinem Teile tüchtige Soldaten zu liefern.
Wer solche Erwägungen in die Beurteilung der Iugend hineinträgt, ver-
rechnet sich von Grund auf. Der Sport ist geradezu eine Form moderner
Askese, er zwingt seine Iünger zum Verzicht auf manche der landläufigen
Lebensgenüsse. Nicht einmal läßt sich behaupten, daß die fremde Her-
kunft des Sports sein Wachstum begünstigt hätte. Denn Athletik, Fuß-
 
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