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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 19 (1. Juliheft 1914)
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Gansberg, Fritz: Verinnerlichung der Schularbeit
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Avenarius, Ferdinand: In Sachen Wynekens, [1]: die "Freideutschen", Wyneken und ich
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0041

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merksamkeit der Kinder auf immer feinere und verstecktere Züge des heimat-
lichen Bildes gerichtet werden kann.

Wenn aber der Stoff des Anschauungsunterrichtes durch dies Verfahren
so nach allen Richtungen sich ins Unübersehbare weitet, so wäre es ja
töricht, ihn auf den höheren Stufen liegen zu lassen; vielmehr könnte man
sich ja auch bis in die Höchsten Klassen gar keinen besseren Stoff wünschen,
um Mssenschaft und Erfahrungsleben zum Austausch zu bringen, als
einen solchen Anschauungsunterricht. Wollen wir wirklich bodenständige
Physik betreiben, so dürfen die Themen nicht heißen: Dynamo, Barometer,
Galvanoplastik, Parallelogramm der Kräfte usw., sondern sie müssen wie-
^ derum lauten: stoßen, fallen, Wasser, Stein, hart, flüssig usw. Wir müssen
wiederum Anschauungsstunden geben, die nur in diesem Falle von physi«
kalischem Geist durchtränkt sind. And so in allen andern Fächern.

Die Auffindung der physikalischen Tatsachen wird uns ja gar nicht
schwer fallen, wenn wir selber an physikalisches Denken gewöhnt sind.
Man höre nur einen echten Physiker über einen Straßenunfall oder der-
gleichen reden; er wird es sich nicht nehmen lassen, vor allem die mecha-
nischen Zusammenhänge ins helle Licht zu rücken; es wird von der Stoß«
richtung, von dem Schwergewicht der bewegten Massen, von Aeibung
und Wärme usw. die Rede sein — während der Ethiker ganz von selber
auf die Fragen der Verantwortlichkeit, Nachlässigkeit, Geistesgegenwart usw.
eingehen wird. So mag man denn den wissenschaftlich gebildeten Lehrer
vor die simplen Themen des Anschauungsunterrichts stellen, vor die Wörter:
Kugel, Ofen, stehlen, rauben, scharf, treu usw., er wird doch das in seine
Darstellung hineinlegen, was auch sonst sein ganzes Denken ausfüllt; er
wird seine Denkweise bei der Betrachtung dieser Stoffe zum Ausdruck
bringen. Rnd darauf kommt es doch an. Wer seine Schüler anleitet,
alle Dinge der Amwelt von einem höheren Standpunkt zu betrachten, die
einzelnen Erscheinungen in der vielseitigsten Weise in Zusammenhang zu
bringen, der hat ihnen das Beste gegeben, was überhaupt durch Rnter-
richt zu vermitteln ist, nämlich eine lebendige Art, die Welt zu betrachten,
kurz gesagt: eine Weltanschauung.

In dieser Verinnerlichung des Rnterrichts liegt unsere höchste Lehrauf-
gabe. Ansere umständlichen Lehrpläne und verwickelten Stufengänge be-
weisen, daß wir auch heute noch tief im Bildungsmaterialismus stecken.
Wir suchen die Ziele immer noch außer uns, und wir vergessen immer
wieder, daß der Stoff nur dann zur lebendigen Kraft sich umwandelt, wenn
er vom ganzen Innern freudig tätig ergriffen wird. And diese Tätig-
keitslust zu steigern durch die produktive Verwendung des Erworbenen in
Lebensbildern, das ist es doch, was nur ^allein aus der Enge des tzand«
werksmäßigen erhebt! Fritz Gansberg

Zn Sachen Wynekens

1. Die ^FreideuLschen", Wyneken und ich

uf dem Marburger Vertretertag ist Wyneken, wie er selbst sich aus-
^IIdrückt, aus der „Freideutschen Fugend^ „hinausgedrängt" worden.
^d^Dafür werde von einigen ich verantwortlich gemacht. In einer großen
Studentenversammlung hat man mich neulich auch als „den Führer der
Freideutschen Iugend" bezeichnet, und ich habe übersehen, das zu be-
richtigen. Also: ich bin nicht „der Führer der Freideutschen Iugend",

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