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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 24 (2. Septemberheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Besinnen wir uns!
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Ullmann, Hermann: Der Beruf Österreichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0442

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Würde. Dabei ist in unsre amtlichen Außerungen ein besseres Deutsch ge--
kommen, als jemals bei ihnen üblich war: gegenüber dem Amtsschimmel-
deutsch ein frisches vom Erleben der Zeit her. Wie phrasenlos die Tele--
gramme! Die kleinen Berichte des Generalquartiermeisters von Stein
sind nach Volkstümlichkeit hin so vorbildlich, wie nach Vornehmheit.

And die Vornehmheit müssen wir durchhalten, eben wir Daherm--
gebliebenen, die wir das viel, viel leichter haben, als unsre Brüder
und Iungen draußen im Krieg. Bismarck hat von einem Franktireur
gesagt, der, verblendet von falscher Vaterlandsliebe, doch im Grunde ein
anständiger Kerl gewesen sein mag: „Mit dem tzute in der tzand bis zur
Leiter, aber hängen muß er." Das rücksichtsloseste Durchgreifen, wo es die
Sicherheit der Rnsern gilt, und nicht einen Anhauch von falscher Empfind--
samkeit! Aber echte Vornehmheit hat noch keinen von Menschenadel schwä-
cher gemacht. Es ist so, daß mit der ungeheuren Aufgabe dieses Kriegs
der Menschheit Würde nicht bloß in Künstlerhand, daß sie dem deutschen
Volke als Ganzem jetzt übergeben ist. „Bewahret sie!" Rnd wir als Volk
werden die besten Früchte selbst davon ernten. A

Der Beruf Österreichs

^Z^ürzlich fuhr ich von Bodenbach nach Prag mit einem Zug, der
^^sünfzehnhundert Antwerpener Flüchtlinge heimbeförderte. Die (Lr--
^ ^zählungen von den Greueltaten des belgischen Pöbels nahmen kein
Ende, die Augen glühten in der Erinnerung an die eben überstandenen
Schändungen der Menschenwürde: denen, die's hörten, ballten sich die
Fäuste. Der Krieg in seiner scheußlichsten Entartung, nicht die heilig--
notwendige Männerschlacht, sondern die Plünderung und Vergewaltigung
Wehrloser und Schuldloser, kam mit diesen hungernden Kindern, den
düsteren Männern und ratlos-entsetzten Frauen mitten in unser noch
friedlich geordnetes Land. In den verstörten Gesichtern, die immer noch
wie vor etwas Rnbegreiflichem starrten, leuchtete nur ein Licht dann und
wann: die Freude, „daheim" zu sein. Wieder unter Menschen, in der
Zivilisation, unter dem Schutz eines in seinem Gefüge festen Staates.
Die Flüchtlinge sprachen alle Sprachen der buntgemischten Monarchie,
aber in jenem Gefühl der Geborgenheit und der tzeimatfreude waren sie
in diesem Augenblick alle heimisch. Am stärksten drückten es von den
Mchtdeutschen die Polen aus. Die belgischen Greuel flossen ihnen mit
den Bildern russisch-polnischen Leidens zusammen, und zwischen den beiden
brandenden Meeren der Barbarei lag wie eine sichere Insel das vom
mächtigen Deutschland geschützte und selbst mächtige Österreich! Deutsch»
land! O dieses gewaltige, geordnete, dieses rettende Land! Man kann
kaum ein glühenderes Lob Deutschlands hören, als es aus dem Munde
dieser polnischen tzeimkehrenden scholl. In tzolland, dem gastfreien, mensch-
lichen, begann Europa, mit den östlichen Grenzen Österreichs hörte es auf.

Wir kamen aus Deutsch-Böhmen ins tschechische Gebiet. Auf den Bahn«
höfen standen Frauen mit Liebesgaben. Sie eilten den Zug entlang,
fragten nach hilfsbedürftigen Frauen und Kindern und nach ihren Wün--
schen. Wer von ihnen daZu imstande war, der sprach, um sich rascher mit
den Fremden verständigen zu können, deutsch: ein in diesen Gegenden
ungewohntes Verfahren. Und auch bei diesen tzilfsbereiten der deutliche

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