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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 20 (2. Juliheft 1914)
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Cauer, Paul: Aus der Schule der Griechen, [2]: homerische Gleichnisse
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Schumann, Wolfgang: In Sachen Wynekens, [2]: Gustav Wyneken in seinen Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0129

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das Menschenleben ist, fühlt tzomer und möchte daran erinnern: so ver-
gleicht er den Wechsel der Generationen mit dem der Blätter im Walde
(VI (^6). Die gleichgültige Ruhe soll geschildert werden, mit der Aias,
durch die Menge zum Weichen gezwungen, langsam zurückgeht, der Speere
nicht achtend, die sich in seinen Schild bohren: wie ein (Lsel, heißt es, der
in ein Saatfeld eingebrochen ist und weiter grast, bis er sich gesättigt hat,
während die Knaben, die das Feld hüten sollten, an dem Dickfelligen ihre
Knüttel zerbrechen (XI 558). Dem Publikum, an das sich der Dichter
wandte, waren ja Vorkommnisse dieser Art vertrauter als die des männer-
mordenden Krieges. Wenn er sagen will, daß die beiden Heere im Kampf
einander das Gleichgewicht hielten, so fehlt wieder der geprägte Ausdruck;
aber die Anschauung ist da. Er erzählt von der Arbeit des Zimmermanns,
der einen Balken nach der Richtschnur ebenmäßig glättet, oder von einer
Witwe, die Wolle gesponnen hat, um für ihre Kinder den kümmerlichen
Lohn davonzutragen, und die Ware dem Käufer redlich abwägt, so daß
die Schalen sich gleichstehen: so gleich gespannt war von beiden Seiten
die Streitkraft (XV U0; XII ^33).

Die gereifte Sprache ist reich an fertigen Metaphern; für jeden stehen
sie bereit, ein Ergebnis schöpferischen Denkens früherer Geschlechter. Und
darin liegt freilich auch die Gefahr gedankenloser Anwendung. Das
griechische Epos versetzt uns in eine Zeit, da die Kultur und vollends die
des Geistes noch im Werden war. Die Menschen mußten ein Feuer,
wenn sie es bedurften, mit eignem Können anzünden; sorglich hüteten sie
den Funken, der wieder entfacht werden sollte (5, H88): heute genügt ein
Druck auf den Knopf, um Licht und Wärme in beliebiger Abmessung oder
Fülle zu Diensten zu Haben. Nicht anders ist es hier. tzomers Gleich--
nisse sind nicht ein aufgesetzter Schmuck, der allenfalls hätte wegbleiben
können, sondern ein wesentliches Element seines Schaffens, die machtvolle
Betätigung des Triebes, mit der Kunst sprachlichen Ausdrucks aus dem Be-
reiche des Gesehenen in das des Gedachten vorzudringen. Paul Cauer

Jn Sachen Wynekens

2. Gustav Wyneken in seinen Schriften

^^as tzervortreten Wynekens in letzter Zeit macht eine Auseinander«
^-D^setzung mit seinem Wollen und Arbeiten unerläßlich. Sie beginnt
zweckmäßig mit dem tzinweise darauf, daß dieser Pädagoge sich
nicht eigentlich als Theoretiker fühlt, sondern daß seine theoretischen Ge«
danken erst die nachträgliche Frucht seiner pädagogischen Schöpfung, der
Freien Schulgemeinde Wickersdorf, darstellen. Ich glaube, daß dieses
Gefühl, das aus der Vorrede seines Buches „Schule und Iugendkultur^
deutlich redet, auch der tatsächlichen Begabung Wynekens entspricht. Er
hat das Glück genossen, eine soziale und pädagogische Organisation ge«
stalten zu dürfen nach seinem Instinkt und seinen Erkenntnissen, die beide
anders gerichtet waren als der Instinkt und die Erkenntnisse, welche in
der Bildung der staatlichen und der ihnen verwandten Schulen wirksam
sind. Dieses Glück, nach dem sich gewiß tzunderte von jungen und älteren
Pädagogen sehnen, die trotzdem in staatlichen und verwandten Schulen
dienen, hat Wyneken jenseit des modernen Betriebes gestellt. Nun ist
es eine Tatsache, daß in kleineren wirtschaftlich, räumlich, soziologisch oder
sonstwie abgesonderten Kreisen oder Verbänden andere Möglichkeiten der
 
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