Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1914)
DOI Artikel:
Stapel, Wilhelm: Unsre Vaterlands-Lieder
DOI Artikel:
Schmidt, Leopold: Engelbert Humperdinck
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0384

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Des Reiches Feinde allesamt, Gott möge sie verdammen!" Am schlagend-
sten und allgemeinsten wird wohl der Unterschied der früheren und der
neuern Poesie gekennzeichnet, wenn wir die Verse gegenüberstellen: „Freü-
heit, die ich meine (minne), die mein Herz erfüllt, komm mit deinem Scheine,
süßes Engelsbild" und Freiligraths „Hurra, du stolzes schönes Weib,
hurra, Germania! Wie kühn mit vorgebeugtem Leib am Rheine stehst
du da!" Das Gefühl schweift ab auf eine ästhetische Bildvorstellung. Oder
Kleefelds „O Vaterland, wie stark und mild, wie herrlich stehst du da, du
hohes, schönes Götterbild, tzeil dir, Germania!" In allen drei Liedern
die Vorstellung eines idealen „Bildes", aber wie verschieden ist dabei der
Geist. Bei Schenkendorf empfinden wir das innige Aufquellen der Sehn-
sucht mit, was aber geben uns die Dichter von (870? Lautes Festpathos.

Wir wiederholen die Frage: woher der Unterschied? Können die
neuen Dichter nur schlechter dichten als die alten? Wir haben auch
vortreffliche Dichter. Was uns fehlt, ist das echte vaterländische Erleb«
nis. Man möchte es gern haben und begeistert sich darum für alles Gute
und Große umher, für Bismarck, für den Kaiser, für das Reich. Aber
das bleibt Festaufwallung. Oder sogar nur eine gute Absicht eines
Mannes am Schreibtisch. Diese Glut reicht nicht zu, um das Gold aus
den Schlacken zu schmelzen, sie wühlt das tzerz nicht auf bis dahin, wo
die Keime zu neuen Schöpfungen schlummern. Wir werden keine
bessere patriotische Dichtung bekommen, wenn uns Volk und Vaterland
nicht wieder zu einem großen Erlebnis werden wie einst vor hundert
Iahren.

Verletzen solche Behauptungen den patriotischen Leser? Dann möge
er vorläufig annehmen, daß die Beispiele tendenziös gewählt, daß
die Folgerungen übereilt seien. Ich habe zwar sehr viele Gedichte
von damals und später, so unbefangen ich's konnte, verglichen, aber
es geht mir nicht ums Rechtbehalten. Sondern es fragt sich nur: ob der
Kampf gegen die Phrase bei uns nicht eine nationale Notwendigkeit ist.
Das hat jeder für sich und er hat es überall zu prüfen, wo er kann.

Dieser Aufsatz war geschrieben vor dem neuen Krieg. Was wird an
Dichtung der bringen? Wenn nicht alles täuscht: jetzt ist das neue Er-
lebnis da. Wilhelm Stapel

Engelbert Hurnperdinck

^^^.icht zu den führenden Geistern, wohl aber zu den markantesten Per-
/ sönlichkeiten unsres deutschen Musiklebens gehört Engelbert tzumper-
^ ^dinck. Und man darf hinzufügen: zu den sympathischen. Es gibt
keine musikalische Partei oder Schule, die ihn bekämpfte, so wenig er
selbst, trotz seiner Zugehörigkeit zu den Bayreuther Kreisen, sich je gegen
andre angreifend verhalten hat; es gibt kein Publikum, dessen Geschmacks-
richtung nicht die Freude an der tzumperdinckschen Musik erlaubte. So
finden sich alle ganz natürlich zusammen, um dem Meister zu seinem sechzig-
sten Geburtstag am (. September dieses Iahres herzlichen und ehrfurchts-
vollen Gruß zu entbieten.

Nun ist aber tzumperdinck keineswegs etwa eine indifferente Natur.
Sein musikalischer Charakter ist fest umrissen. Wenn ihm dennoch alle
Freund sind, so liegt das an der ihm eigenen Lrebenswürdigkeit und daran,
daß er seine fortschrittlichen Gesinnungen stets in formvollendete, melo-

307
 
Annotationen