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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Wie groß ist die Zeit!
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0378

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Wie groß ist die Zeit!

nd doch ist's kaum ein paar Wochen her: wie klein schien sie da! Ein
^ I Störenfried im Südosten, der gegen den Nachbarn immer zu Stichen
^^bereit ist mit Nadel oder Dolch, aus dem gehen Mörder aus, und
denen glückt's — als aber der Große vom Kleinen nun endlich Bürgschaft
für dauernde Ruhe will, da sagt der Serbe so ziemlich alles zu, nur eben
nicht ganz. Weil er bei zwei, drei Punkten Vorbehalte macht, darum, so
fragten wir, zwischen Österreich und Serbien gleich Krieg? And weil
Rußland Serbien schützen will, darum nun Krieg auch zwischen Rußland
und dem Deutschen Reich? Zweifelhafte Diplomaten, die uns in solche
Lage gebracht! Zweifelhafte Gewissenhaftigkeit, die darum eine Bündnis-
treue hält, wie sie, genau besehn, im Vertrage nicht mal gefordert war!
Ein europäischer Krieg um ein paar Vorbehalte in der serbischen Antwort
auf eine österreichische Note?. . .

So schien es — und wie ist jetzt schon alles klar! Daß des toten
Eduards Einkreisungspolitik gereift war, daß unsre Feinde den Krieg
wollten, daß er gekommen wäre auf jeden Fall, nur vielleicht erst,
wann's ihnen paßte. Daß man gegen uns systemgerecht log und trog,
daß unsre Politiker recht daran taten, wenn sie auf kein Friedlichtun ein-
gingen, daß es kommen mußte, wie es kam, und daß es gut ist, daß es
so schnell kam — von all dem sind wir jetzt überzeugt.

Seltsam, wie sich in wenigen Tagen ein Eindruck in unserm Volke ge-
bildet hat, der ihm seit langen Iahren verloren, der ihm nun, reden wir
offen, neu war: unsre auswärtige Politik ist keine Leisetreterei, Schwan--

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1. Septemberheft (XXVII, 23)
 
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