tischen Geschmack, der das tägliche Leben angenehm und hygienisch ge-
staltete. Viele seiner Kundgebungen, namentlich der komplizierte KMus
der Reinlichkeit, der die Grundbedingung bildet, werden oft verkannt,
falsch aufgefaßt und angefeindet. Erst der allerneuesten Zeit gebührt das
Verdienst, immer mehr Nachdruck gerade auf diese Grundbedingung zu
legen. Vereinzelt widersetzen sich schwärmerische Geister dem allgemeinen
Streben nach verfeinerten und bequemen Bedingungen des täglichen Lebens,
Philosophen wie Tolstoi nehmen die uralte strenge Lehre wieder auf und
erklären Schönheit, Liebe und Kunst für sündhaften Luxus, weil sie der
Sinnlichkeit schmeicheln.
Es besteht eine unverkennbare Verwandtschaft und Gefolgschaft zwischen
Luxus und Komfort in äußeren Dingen und Luxus und Komfort im
Gemütsleben. Nationen, die äußeren Prunk bevorzugen, halten auch auf
Pathos, das heißt auf Luxus in Liebe und Leid; schöne Worte, viel--
gepriesene Bravourstückchen begleiten die Leidenschaft. Im Süden hält
auch der einfache Mann auf den tzerzensluxus einer schönen Geliebten,
die mit Musik und Versen angefeiert wird. Im Norden kann man sehen,
wie die Liebe sich leicht in den Komfort einschmiegt, das ferne Ideal der
Minnekönigin verblaßt, und es entsteht das Bild der emsigen, appetitlichen
tzausfrau.
Mrgends zeigt sich dieser Wandel so klar wie in der holländischen Kunst,
wo die Poesie des Komforts zur selbstverständlichen gesunden Sittlichkeit
wird. Die üppige blonde „Mefrouw", die sich nur wenig ziert, gehört zum
Behagen, wie die guten Dinge zum Essen und die hübschen bunten zum
Ansehen. tzier ist der Komfort vollständig durchgeführt und wird ohne
die geringsten Gewissensbisse genossen.
Ganz erhabene Geister haben sich freilich nie mit solcher Gelassenheit
dem Komfort ergeben und auch nie mit der erforderlichen Naivität den
Luxus lieben können. Rnrast verdammt sie zu suchen und zu grübeln, wie
sich die Menschheit im ganzen mit diesen Dingen abfinden soll, und immer
wieder verflüchtigt sich das kaum gewonnene Ergebnis, weil neue Schichten
teilhaben wollen und mit elementarer Gewalt vordringen. Sie begehren
die alten Kulturschätze und fügen neue hinzu, indem sie nach den vor-
handenen streben. Aber was die Welt im allgemeinen ergötzt, gibt gehalt-
loses, obenhinstreifendes Vergnügen. „An jähem Abhang steht die Lust, sie
neigt sich zum Schmerz, wenn man nicht Maß hält. Freue dich dessen,
was dein ist! Was ist aber dein? Du selbst und der bessere Teil deiner
selbst." Alexander von Gleichen-Rußwurm
Der grotze Gedanke der Missionen
ist der Versuch zur Ausdehnung eines in seinen Grundzügen
I Keinheitlichen Kulturkreises auf die übrige Welt. Sie hat zur Vor-
^^d-aussetzung, daß bei den Trägern ihres Gedankens der geistige
Anschluß jener übrigen Welt als eine Notwendigkeit betrachtet werde.
Es muß ein inneres Gebot bestehen, der Welt, wo immer sie uns zu»
gänglich wird, die in Religion und Philosophie gefundenen ewigen Werte
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staltete. Viele seiner Kundgebungen, namentlich der komplizierte KMus
der Reinlichkeit, der die Grundbedingung bildet, werden oft verkannt,
falsch aufgefaßt und angefeindet. Erst der allerneuesten Zeit gebührt das
Verdienst, immer mehr Nachdruck gerade auf diese Grundbedingung zu
legen. Vereinzelt widersetzen sich schwärmerische Geister dem allgemeinen
Streben nach verfeinerten und bequemen Bedingungen des täglichen Lebens,
Philosophen wie Tolstoi nehmen die uralte strenge Lehre wieder auf und
erklären Schönheit, Liebe und Kunst für sündhaften Luxus, weil sie der
Sinnlichkeit schmeicheln.
Es besteht eine unverkennbare Verwandtschaft und Gefolgschaft zwischen
Luxus und Komfort in äußeren Dingen und Luxus und Komfort im
Gemütsleben. Nationen, die äußeren Prunk bevorzugen, halten auch auf
Pathos, das heißt auf Luxus in Liebe und Leid; schöne Worte, viel--
gepriesene Bravourstückchen begleiten die Leidenschaft. Im Süden hält
auch der einfache Mann auf den tzerzensluxus einer schönen Geliebten,
die mit Musik und Versen angefeiert wird. Im Norden kann man sehen,
wie die Liebe sich leicht in den Komfort einschmiegt, das ferne Ideal der
Minnekönigin verblaßt, und es entsteht das Bild der emsigen, appetitlichen
tzausfrau.
Mrgends zeigt sich dieser Wandel so klar wie in der holländischen Kunst,
wo die Poesie des Komforts zur selbstverständlichen gesunden Sittlichkeit
wird. Die üppige blonde „Mefrouw", die sich nur wenig ziert, gehört zum
Behagen, wie die guten Dinge zum Essen und die hübschen bunten zum
Ansehen. tzier ist der Komfort vollständig durchgeführt und wird ohne
die geringsten Gewissensbisse genossen.
Ganz erhabene Geister haben sich freilich nie mit solcher Gelassenheit
dem Komfort ergeben und auch nie mit der erforderlichen Naivität den
Luxus lieben können. Rnrast verdammt sie zu suchen und zu grübeln, wie
sich die Menschheit im ganzen mit diesen Dingen abfinden soll, und immer
wieder verflüchtigt sich das kaum gewonnene Ergebnis, weil neue Schichten
teilhaben wollen und mit elementarer Gewalt vordringen. Sie begehren
die alten Kulturschätze und fügen neue hinzu, indem sie nach den vor-
handenen streben. Aber was die Welt im allgemeinen ergötzt, gibt gehalt-
loses, obenhinstreifendes Vergnügen. „An jähem Abhang steht die Lust, sie
neigt sich zum Schmerz, wenn man nicht Maß hält. Freue dich dessen,
was dein ist! Was ist aber dein? Du selbst und der bessere Teil deiner
selbst." Alexander von Gleichen-Rußwurm
Der grotze Gedanke der Missionen
ist der Versuch zur Ausdehnung eines in seinen Grundzügen
I Keinheitlichen Kulturkreises auf die übrige Welt. Sie hat zur Vor-
^^d-aussetzung, daß bei den Trägern ihres Gedankens der geistige
Anschluß jener übrigen Welt als eine Notwendigkeit betrachtet werde.
Es muß ein inneres Gebot bestehen, der Welt, wo immer sie uns zu»
gänglich wird, die in Religion und Philosophie gefundenen ewigen Werte
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