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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 23 (1. Septemberheft 1914)
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Schmidt, Leopold: Engelbert Humperdinck
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Paquet, Alfons: Der große Gedanke der Missionen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0386

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kann, der bereits Nachahmung gefunden hat. Wie das Märchen in der
Dichtung eine verkleinerte Form der Sage darstellt, so wendete Humper»
dinck das Pathos und die Technik der Wagnerschen Tonsprache ins Zier-
liche, Diminntive. Der polyphone Stil der „Meistersinger" erscheint so
bei ihm ins Märchenhaft-Kindliche übertragen.

Auch Humperdinck hat den Fluch eines starken Erstlingserfolges an sich
erfahren müssen. So viel Werke er später herausgab, er blieb der Kom-
ponist von „tzänsel und Gretel". Zunächst pflegte er weiter das dramati-
sierte Märchen. Die „Königskinder" behandelte er MY8) als Melodram,
arbeitete sie aber zehn Iahre später zur Oper um. Ls entstanden die
Märchenspiele „Die sieben Geislein" ((8Y7) und „Dornröschen" W02).
Vorübergehend wendete sich Humperdinck anderen Gebieten zu, doch blieben
seine anmutigen Lieder und die „Maurische Rhapsodie" für Orchester M98)
vereinzelte Erscheinungen. Immer wieder zog ihn die Bühne an. Mit
großem Glück gestaltete er einen realistisch-heiteren Opernstoff in der
„tzeirat wider Willen^, U06 schrieb er Musik zu Shakesperes „Winter-
märchen^ und „Sturm", W08 zu Aristophanes' „Lysistrata", ver-
schwendete er sein schönes Talent an Vollmoellers Zirkuspantomime „Das
Mirakel", schrieb er sein jüngstes Werk, das Singspiel „Die Marketen-
derin", von dem unsre Notenbeilage ein Beispiel bringt.

Durch seinen Lehrberuf, in dem er auf viele Iünger läuternd und an-
regend wirkt, an die Scholle gebunden, lebt tzumperdinck, soweit ihn nicht
seine gern nach dem Süden gerichteten Reisen entführen, im Grunewald
bei Berlin. Er darf sich sägen, daß sein Name zu denen gehört, die auch
im Auslande den Ruhm der deutschen Musik verkünden. Vor kurzem
ereilte ihn in London schwere Erkrankung, die er jedoch glücklich über-
wunden hat. Dem seiner Kunst zurückgegebenen Meister wünschen Freunde
und Anhänger einen friedlichen, von Schaffensfreude verschönten Lebens-
abend. Leopold Schmidt

Der große Gedanke der Missionen

(Schluß)

^M^unächst darf es wohl als ein Beweis für die anregende Kraft des
^H^CHristentums betrachtet werden, wenn sein Eindringen in fremde Erd-
^Iteile bisher fast am stärksten dahin gewirkt hat, den religiösen Ge-
danken überhaupt wiederzuerwecken. Freilich verraten die erfolgreichen
Gegenstöße jener fremden Missionen auch seine Schwäche. Diese beruht
vor allem darin, daß das Christentum seine Lehre in so vielen und ver-
schiedenartigen Formen hinausträgt, daß die Menschen, denen es nahe-
gebracht werden soll, notwendig an seiner Einheitlichkeit, ja an seiner
Aufrichtigkeit zweifeln müssen und wegen dieser äußeren Rnvollkommen-
heiten dann den Kern für wertlos halten.

So ist es denn, zunächst in den protestantischen Schichten der Ehristen-
heit, an der Zeit, die zahlreichen kleinen Anterschiede, die das Zusammen-
wirken der Konfessionen hindern und vielfach das religiöse Leben seines
inneren Schwunges beraubt haben, zu beseitigen und den christlichen Ge-
danken mehr als in der Zwischenzeit der Auseinandersetzungen in seiner
ökumenischen Bedeutung aufzufassen. Es fehlt diesem Subjektivismus
das Verständnis für eine umfassende Fruchtbarmachung jener inneren
Spannung, die das Christentum zwischen Lehre und Leben aufgerichtet hat.

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