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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1915)
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Bismarck und wir
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0017

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W

Bismarck und wir

-re eme Sintflut wogt es von Stimrnungen, Wollungen, Ereig--
jnissen, Taten nber das Heute, hier getürmt im kämpfenden Gegen--
einander, dort gischtend in Schaum, dort in breiten und unwider--
stehlichen Wogen, dort grau lastend wie Blei, dort strahlend in hellem
Glanz, und im Gehalte seiner Fluten selber hier trübe, dort lauter. Wenn
dieses Meer abgelaufen sein wird, wird uns die Welt nicht bloß da
anders aussehn, wo die Dinge der politischen Irdischkeit sich verändert
haben. Nein, die Erinnerungen aus der großen Flut dieses Iahres her
werden vor unsern Augen bleiben, und wir werden durch sie hindurch--
sehen, wie durch Gläser. Dann werden auch im Reich des Gedankens
und der Betrachtung Täler gesüllt und Höhen gebrochen, und es wird
hier Sand sein, wo Wiese war, und dort Marschland, wo Sand war. Es
wird manches bis aufs letzte Korn weggeschwemmt sein, was als Nieder--
schlag früherer Geistessluten in Schichten über dem Weltbilde lag. Wir
werden nach dem Kriege staunen, wieviel sich unter seinem Einslusse in
unsern Gesühlen umgewertet, wie vieles sich auch in unsern Vorstellungen
umgebildet hat. Auch Begrifs, Gefühl und Vorstellung „Bismarck" wer--
den unserm Volk nach dem Kriege anders erscheinen, denn ob es uns
bewußt ist oder nicht: was wir jetzt erleben, das muß auch sie umbilden
und umwerten.

I-Aprilheft 1915 (XXVIII, is)
 
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