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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

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Heft 13 (1. Aprilheft 1915)
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Kalkschmidt, Eugen: Bismarcks Sprache als Ausdruck
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0031

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hätte ihn ja auch nur grüßen lassen können. Der Brief über die Be-
gegnung mit Napoleon nach der Abergabe von Sedan nimmt sich in
unsern begeisterungsfreudigen Zeiten zwar höchst dürftig aus, denn die
weltgeschichtliche Situation als solche ist nur ganz flüchtig gestreift, die
profane Wirklichkeit aufs genaueste geschildert. Wenn uns trotzdem die
riesigen Kontraste des Augenblicks voll, sogar höchster Kriegesstimmung
voll bewußt werden — woran mag das liegen? Vielleicht gar am Ver-
schweigen dessen, was jeder, der etwas ausdrücken will, und der Künstler
im besonderen — sich hüten sollte zu besprechen? Wie weit sind wir
heute davon entfernt im öffentlichen Leben!

Es könnte nichts schaden, wenn alle, die Bismarck bei jeder Ge-
legenheit im Munde führen, als Feinde oder als Freunde, sich friedlich
in der Betrachtung der Ausdruckswerte sammelten, die in seiner Sprache
leben. Er selber hat sich einmal im Reichstage einen „Anwalt des
praktischen Lebens" genannt. Das sollte für seine Politik gelten, für
seine Sprache gilt es gewiß. Der Zusammenhang mit der Natur, den
er mit Energie bis ans Ende festgehalten hat, befruchtete auch seine
Phantasie unmittelbar zu einer Fülle, die frisch aus den Dingen selber
geschöpft ist. Er hat gar keine schriftstellerischen „Ambitionen^, lange
Dokumente fort läuft sein Deutsch mit den beliebten Inversionen und
dem falschen „derselbe" usw. ganz in den amtsüblichen Papiergeleisen.
Vielleicht nur bei einer Wendung einmal ist es, als husche ein Blick
aus den Bismarckschen Augen über uns. Dann plötzlich zieht er den
Beamtenrock aus und spricht Bismarckisch. Nnd nun sprudelt seine Sprache
wie ein Quell aus der Tiefe. Eugen Kalkschmidt

Lose Blätter

Wie er sprach und schrieb

Aus Bismarcks Neden und Schriften

sDie wichtigeren Reden Bismarcks sind in dreizehn Bänden zu je
einer Mark bei Reclam erschienen, sämtliche Reden in dreizehn Bänden
(bei Cotta, je (0 Mark), die Horst Kohl verarbeitet hat. Die „Gedanken
und Erinnerungen" bekanntlich auch bei Cotta, ebenso wie Bismarcks
„Briefe an seine Braut und Gattin^. Dann sind noch die Ge--
sprächs-Aufzeichnungen von Poschinger und die „T a g e b u ch b l ä t t e r"
Buschs wichtig. Line stofflich geordnete Anthologie: „Bismarck als
Erzieher" von Paul Dehn (München, I. F. Lehmann, geb. 6 M.).
Wertvolle Außerungen Bismarcks finden sich natürlich auch noch in der
gesamten riesigen Bismarck-Literatur zerstreut. Unsre kleine Auswahl ist
lediglich daraufhin zusammengestellt, Bismarcks Persönlichkeit mit
Zügen von ihm selber zu skizzierenZ

eut war der Geburtstag meiner verstorbnen Mutter. Wie deutlich
^schwebt mir vor als meine Lltern in Berlin am Opernplatz wohnten,
dicht neben der katholischen Kirche, wenn ich des Morgens durch
den Iäger aus der Pension geholt wurde, das Zimmer meiner Mutter
mit Maiblumen, die sie vorzüglich liebte, mit geschenkten Kleidern, Büchern
und interessanten Nippes garniert fand; dann ein großes Diner mit viel
 
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