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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1915)
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Müller, Johannes: Aus Johannes Müllers "Kriegsheften"
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Schumann, Wolfgang: Bücher der Zeit, 3: H. S. Chamberlain und A. von Peez
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0163

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sie sich nicht aus Theologie, Kultur und kirchlicher Arbeit herauswinden
könnte, um ein Neues zu pflügen.

lStirb und werdej

^as Leben kann euch nichts mehr bieten. Gut, dann werdet ihr ja gar
-^nicht mehr darauf aus sein und euch ganz dafür einsetzen können, daß
ihr dem Leben etwas bietet, nämlich alles, was ihr könnt, euch selbst und
euer Leben. Reicht es dar, verschenkt euch. Gebt Leben, da ihr meint,
keins mehr nehmen zu können. Ihr möchtet am liebsten sterben. Tut es
doch, soweit ihr euch gehört. Gebt euer Ich in den Tod, kümmert euch
nicht mehr um euch, beansprucht nichts mehr für euch, beschäftigt euch
nicht mehr mit euch, verliert das Bewußtsein von euch, lebt, als ob euer
Ich gestorben wäre, ganz Organ des großen Geschehens, das euch in An--
spruch nimmt und durch euch wirken will, ganz Glied eures Volkes, das
nur in und für den Volkskörper lebt, ganz Lebensträger Gottes, der sich
in euch um so mehr offenbart, je weniger ihr für euch selbst lebt. Dann
wird etwas ganz Merkwürdiges gefchehen. Es wird in dem Untergrunde
eures Innern ein neues Wesen regfam werden und sich entfalten, ein
neues Klingen wird in euch laut werden, und die Welt wird einen neuen
Glanz gewinnen. Was ist das? Die Seele erwacht, das seltsame Wesen
aus einer andern Welt, die Stimme des Himmels beginnt zu sprechen,
so wie sie in denen lebendig wurde und geheimnisvoll sprach, die ihr Ich im
Feuer freiwilliger, freudiger Todeshingabe fürs Vaterland aufgehen ließen.

lDer tiefste Mangel^

^as Bedürfnis, gedruckte Ergüsse nachzuempsinden, zeugt doch wohl von
-^einer Unfähigkeit, selbst zu empfinden, und die Aberfülle der Kirchen
läßt darauf schließen, daß man sich im stillen Kämmerlein hilslos fühlt.

sVom Hatzs

^er Haß ist keine Tugend und keine Stärke, sondern das Gegenteil da-
^von. Stellt euch doch nicht mit euren Gedankenlosigkeiten bloß, wenn
ihr sagt, daß, wer nicht hassen könne, auch nicht lieben könne, oder daß der
Haß allein der kriegerischen Begeisterung Beständigkeit verleihe. Das ist
Ansinn. Liebe als gegensätzliche Bewegung des Hasses ist keine Liebe,
sondern Sucht, und die kann allerdings in die Vernichtungssucht des
Hasses umschlagen. Aber diese aus niedrigem, gemeinem Wesen geborene
Sucht Liebe zu nennen, ist wahrhaftig die ärgste Selbstverkennung, die sich
ein Mensch leisten kann. And daß der Haß der Begeisterung Beständig--
keit zu verleihen vermöge, ist schon deshalb unmöglich, weil er die Be-
geisterung in den Kot herabzieht und erstickt. Haß ist niemals eine
Tugend, sondern immer ein Laster, denn er ist schleichende heimtückische
Mordsucht, ist Abelwollen gemeinster Art in verzerrtester Gestalt. — Iedes
Volk wird von den Besessenheiten ruiniert, denen es verfällt.

Bücher der Zeit 3

H. S. Chamberlain und A. von Peez

^«^ie berühmteste „kleine Schrift" des Täges hat Houston Stewart
ICHamberlain zum Verfasser, sie umfaßt Seiten „Kriegs-
aufsätze^. Es ist nicht leicht, zu ihr eine Stellung zu finden. Zu-
nächst: auch auf kritische Leser wird es starken Eindruck machen, daß ein
 
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