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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

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Heft 15 (1. Maiheft 1915)
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Düsel, Friedrich: Kriegs- und Friedensstücke
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Avenarius, Ferdinand: Defregger
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0127

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durch ihre Zielstrenge abwehrt, ist seine Rettung. Liebe und Warnre
wird dieses Werk schwerlich erwecken; wenn es sich vor dem heldischen
Pathos der Zeit behauptet, so verdankt es das seinem entschlossenen Willen
und seiner gereiften Kunst, Geschlechtliches, von allem Schwülen entschält,
in den Boden des Naturhaften und Urwüchsigen zu pslanzen — eine or--
ganische Einheit, die nicht zu erschüttern ist.

Der Titel des neuen Lustspiels von Karl Sternheim läßt ein
neues Exemplar seiner gallig-kalten Gesellschastssatiren erwarten. „D er
Charmante" (Kammerspiele des Deutschen Theaters) könnte ein wür-
diges Brüderchen des Snobs und des Bürgers Schippel werden. Aber
nein, diesmal läßt Sternheim Pritsche und Peitsche am Nagel hängen
und kommt im galanten Frack des Konversationsstückes, das keinen höheren
Ehrgeiz kennt, als zwei Stündchen über die Strategie der Liebe und Ehe
scharmierend zu verplaudern. Dabei geht es ihm leider wie dem Messer,
das erst sein Heft, dann seine Klinge verlor: übrig bleibt in beiden Fällen
ein Nichts. Was aber die Langeweile, die wir bei diesen Schnörkeleien
um eine hohle Nuß empfinden, so verstimmend macht, ist das geschmacklose
Bemühen, die französische Schule dieses „Lustspiels" hinter zeitgefälligen
Anspielungen auf allerlei Kriegerisches und Militärisches zu verstecken.
Wenn Sternheim so klug wäre, wie er boshaft ist, er machte es wie der
Mönch von tzeisterbach: ginge in den Wald und käme erst wieder hervor,
wenn wir nach beendetem Wafsenstreit wieder Lust und Muße haben, uns
selbst am Barte zu zupfen. Friedrich Düsel

Defregger

ranz Defregger achtzig Iahr. Altersgenosse so ungefähr von Vautier,
^vvon Breton — in was für Fernen weist das zurück. Pilotyschule —

eine ganze Kunstgeschichte scheint seitdem vorübergezogen. Aber Desreg-
gers Wert stammt aus keiner Schule und beruht auf keiner, er beruht ja
überhaupt nicht auf dem, was man Malerei im engern Sinne nennt. Die
war bei ihm durchaus nicht immer „hölzern" und „trocken", gerade in
seiner Frühzeit nicht, ich erinnere an Bilder, wie die Almlandschaft der
Berliner Iahrhundertausstellung — aber als „Maler" allein wär er doch
nie zur Größe geworden, nie. Zugegeben auch: daß man auf

die Bekanntschaft vieler seiner Dirndl-Köpfchen usw. verzichten kann,
zu deren Massenerzeugung ihn Kunsthändler verführten. Und zu-

gegeben serner, daß er durch die Pilotyzeit nicht gekommen ist, ohne
daß dann und wann einmal auch auf seine Leinwand etwas Theaterei

abgefärbt hätte. Trotzdem ist er einer von denen, an welchen man

unsre Kunst später messen wird. Denn die Gipfel der Kunst
werden ja weder gebildet durch das Vermeiden von Fehlern und Irr-
gängen, noch durch irgendwelches Können im Sehn und Wiedergeben,
noch durch irgendwelche Virtuosität. Sie werden gebildet durch das
Ausströmen irgendwelcher seelischer Starkkraft, die sich
hier den Andern vermittelt.

Wer von der Beschäftigung mit Kunst her zu Defregger kommt, sieht
bei ihm diese Starkkraft auch dann nicht sofort, wenn er über Mängel im
eigentlich Malerischen hinwegsehen kann. Ihn stören die Erinnerungen
an Defreggers eigene schwache Bilder (während man doch jeden Künstler
nur nach seinem Besten beurteilen darf), vor allem crber an die gezuckerten
 
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