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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

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Heft 15 (1. Maiheft 1915)
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Ullmann, Hermann: Der pflügende Soldat
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Millenkovich, Stephan von: Gedichte von Stefan Milow
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0118

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des Verständnisses für die Urfragen der Volksernährung, das er voraus-
setzt und neuerweckt, in der Tat eine geistige Unrwälzung. Noch rnehr
aber, das kann jeder draußen und im Verkehr mit unseren „Lanzern"
beobachten, wirkt auf die Neuwertung von Grund und Boden jenes Lr-
leben der Leute im Felde hin. Wenn unser Zug die Verwundeten durch
die polnischen Lbenen heimwärts führte, dann begannen sie oft Zukunfts-
pläne zu besprechen. Lrstaunlich häufig kehrte die Hoffnung auf ein
Stückchen eignen Bodens wieder; vielfach dachten sie sich ein kleines
Grundstück geradezu als Invalidenversorgung oder Militäranwärterent-
schädigung. Daß dieser gesunde Wille der Vielen verstanden und ge-
würdigt würde l

Wenn irgend das Schicksal uns Sieg und günstigen Frieden gewährt:
schafft Bauernlandl Aus allen Lebensäußerungen unsres Volkes
seit der Mobilmachung spricht dieses Verlangen, diese Mahnung. Schon
in der Opferfreude der ersten Wochen war etwas davon. Nnd es kann
unmöglich der Sinn dieses allergrößten Volksopferns sein, daß die Kämp-
fer für unsre Freiheit zurückkehren in die gleichen wirtschaftlich-sozialen
Bedrückungen, die unser inneres politisches Leben so vergifteten, die nach
MO so schwer verstimmten und verhetzten. Laßt uns soviel Freie
wie möglich anstreben! England, dieses Land der größten politi-
schen Freiheitsillusionen und der ärgsten politischen Unfreiheit, sollte uns
Warnung und Schreckbild sein: dort versagt die Kraft und der Wille des
heimatlosen, entwurzelten Volkes. Wir können aber Englands Wege im
Falle eines Sieges nur meiden, wenn wir unsre eigentlichen und wesent-
lichen deutschen Kolonisationsaufgaben wieder aufnehmen. Art und Hal-
tung unsres Volkes im Felde und daheim geben uns den Mut zu solchen
Kolonisationszielen, über den Kampf und seinen Ausgang hinaus.

Hermann Allmann

Gedichte von Stefan Milow

m j2. März ist in Mödling bei Wien, nach einem Leben voll
I lähmenden Nervenleidens seit der Iugend, fast neunundsiebzig Iahre
^d^alt, Stefan von Millenkowich gestorben, der Freund Ferdinands
von Saar und tief innerlich sein Verwandter, der Dichter Stefan Milow,
den Kürnberger einst den „größten österreichischen Lyriker seit Lenaus
Tode" genannt hat. „Milow war auch", so schrieb mir jetzt Schmied-
Kowarzik über ihn, „ein feinsinniger Lrzähler; meist zog ihn das
Schicksal von Menschen an, die nicht mit starker Kraft das Leben meistern,
sondern durch Anlage und Umstände getragen und gegen Absicht und Vor-
satz bestimmt werden; er schilderte, wie die Gefühlsbeziehungen zwischen
solchen Menschen abreißen, wie die Zeit und das Leben mählich Neues
wachsen läßt, wie die Einsamkeit und die Ferne Leute zusammenschmiedet,
die im Zusammenleben einander verwundet oder verloren hatten." Dem
Lyriker Milow hat Hamerling seine „milde Reife" nachgerühmt, und
ich wüßte nicht, wie man den Eindruck mit zwei Worten besser treffen
könnte. Aber „milde Reife", das urteilt über den Menschen, auch über
den Künstler, nicht jedoch über den Dichter als Erschauer, als Seher und

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