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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1915)
DOI Artikel:
Fuchs, Emil: Die deutschen Kirchen zu Pfingsten, 1
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: [Die deutschen Kirchen zu Pfingsten], 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0158

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frommen Formen und Gebräuchen. — Weil deutsche Frömmig-
keit aus den tiefsten Tiefen schöpfen will, deshalb braucht sie so lange, bis
sie eine Form findet, die allen dieses Tiefste wirklich darstellt. Andere
Völker, deren Leben mehr auf der Oberfläche hingeht, konnten rascher mit
ihrer äußern Lebensform fertig werden.

Wir sind noch nicht fertig mit dem Ringen nach dem wahrsten Aus-
druck unserer Frömmigkeit. Ungeduld will das Fertigwerden erzwingen.
Lasset uns doch mit großer Freude das unendliche Ringen und Kämpfen
schauen. Zeigt es doch, wie jung unser Volk noch ist und welche geistige
Zukunftsmöglichkeiten aus den Tiefen seines Seelenlebens ihm und andern
Völkern noch aufsteigen werden. Lernen wir, daß zu diesen Zukunfts-
möglichkeiten notwendig gehört, daß die Gegenwart Mannigfaltigkeit und
Gegensätze hat, deren Aberwindung zur Zukunft führt. Lernen wir, daß
deutsches Wesen nur unter gar verschiedenen Formen sich darstellen kann,
weil es aus jenem Argefühl lebt, daß die innerste Wahrheit der Seele
das Heiligste, ihre Verbindung mit Gott ist. Lernen wir in echt deutscher
Weise nicht mehr die äußere Form als das Wichtigste beachten, sondern
dies, ob sie wahrhaftig ist. Sie kann es sein bei Katholiken und
Protestanten. Lernen wir uns des eigenartigen, wahrhaftigen Seelen-
lebens freuen, wie es auch ist, und unbeirrt kämpfen gegen jede Rnwahr-
haftigkeit, ob sie auch in verwandtester Form daher kommt.

Emil Fuchs

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^^V^ie bei vielen jetzt neu aufgewachsenen Linigkeiten uns der Wunsch
^H^kommt: möchten sie doch im Frieden uns bleiben, so auch dem
Einverständnis der Konfessionen gegenüber.

Ob solche Wünsche in Erfüllung gehen können, richtet sich zum Teil
nach dem Ernst, mit dem wir an ihrer Verwirklichung arbeiten.

Ich habe meinerseits einen Verständigungsversuch in meinem Band
„Religiöse Spannungen" (S. M ff.) unternommen. Ich habe dagegen
Einspruch erhoben, daß man das Vorhandensein der beiden Konfessionen
unter „konfessionelle Zerrissenheit^ bucht und vorgeschlagen, es unter „Reich-
tum Deutschlands an religiösen Bodenschätzen" einzutragen. Die Kon-
fessionen selbst können wissen, daß der achtungsvolle Wetteiser ihnen beiden
gut bekommt. Rnd wer in keiner der beiden Konsessionen religiös das
letzte Wort gesprochen findet, darf erst recht bemerken, daß es sür die
Entstehung einer vollkommeneren Zukunft gut ist, wenn sich ihr mehrere,
ja womöglich viele Ansatzmöglichkeiten bieten.

Es gehört zur gegenseitigen Achtung, daß wir Protestanten den katho-
lischen Volksteil als einen kulturell uns gleichstehenden, nur anders ge-
richteten anerkennen. Dies führte ich an der obengenannten Stelle aus.
Ilnd nun die Katholiken ihrerseits? Sollte es ihnen unmöglich sein,
diesem Mönch gerecht zu werden, dessen Feste Burg sie jetzt mit den
evangelischen Soldaten zusammen singen! Mögen sie doch ruhig bei
ihrer Meinung bleiben, daß Luther geirrt hat. Ist es nötig, ihm
den guten Willen abzusprechen?

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