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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1915)
DOI Artikel:
Bartning, Otto: Überlieferung und bewußte Kunst
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Lindner, Werner: Kriegerehrung in Gedenkstätten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0079

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ganz grob gesagt: ein Gesims, ja die Kehle und Wulstung eines Gesimses
drückte aus: Aufstreben oder Lagerung, leichtes elastisches Federn oder
schweres Lasten, Ruhe oder Lebhastigkeit usw. Man verfolge nur, selbst
innerhalb einer und derselben Stilprobe, wie der Schnitt der einzelnen
Gliederungen sich wandelt von der straffsten knappsten Kraftentfaltung zur
Appigkeit und größten Laszivität. Das Ende jeder Entwicklungsperiode ist
dann immer das Malerische, denn das Malerische ist der hippokratische
Zug jedes baulichen Zeitalters. Wenn also die Behandlung der Baukunst
als bloßer Raumkunst uns nur zu einem Eklektizismus der Formen zurück»
führen kann, da nämlich die Einzelformen irgendeines Stiles zur räum-
lichen Gliederung benutzt werden können, so steckt in dem monumentalen
Trieb unserer modernen Ingenieurbauten ein unartikulierter Wille, ja eine
Leidenschaft. Wenn wir denken, daß diese in die großen Blöcke hinein-
gestampste plastische Krast den Ausdruck ihres immanenten Willens ein-
mal aus sich hervortreibt, aber wirklich nur den Ausdruck ihres eigenen
Willens, so wäre das die einzig mögliche und gesunde Entstehung der
neuen Formen. Und eine solche Formensprache wäre dann auch wieder
imstande, das kleinere Gebäude des täglichen Wohnens, das Kunstgewerbe
bis herab zum zierlichsten Geräte zu beherrschen, wozu sie heute schlech-
terdings noch nicht imstande ist.

Doch hier beginnt ein Weg, der nicht mit Worten, nur mit Taten zu
beschreiten ist. Nur mit wirklichen Taten. Auch die verruchte „Fixig--
keit" der Modefabrikanten wird hier wohl zurückbleiben, wo es sich um
ein wirkliches Schaffen handelt. Otto Bartning

Kriegerehrung in GedenkstäLten

^^v^-ir haben noch keine Zeit erlebt wie die der Mobilmachungstage
H Hund der ersten Kriegswochen. Ansre Soldaten zogen jubelnd hin-
aus, die hatten und wußten ihren Weg. Uns Zurückbleibenden
schien das zunächst der einzig rechte in dieser Zeit, wenn man ein
Mann sein, wenn man sich nicht wertlos vorkommen sollte. Friedliche
Berufsarbeit weiter zu tun, als wäre alles wie früher, schien einem un»
möglich. Allmählich erst lernten wir begreifen, daß auch daheim Kräfte
bleiben müssen, die weiterschaffen. Nun werden, ein guter Beweis der
Kraft, schon viele Aufgaben behandelt, die auf die Zeit nach dem Frieden
zielen. Wir sind dabei, den Sieg, den die Waffen draußen erwerben,
auch in der Heimat vorzubereiten. Unsre Brüder im Felde sollen bei
ihrer Heimkehr ein Deutschland vorfinden, in dem gesät, geerntet, Zer-
störtes wieder aufgebaut, Not gelindert und Wunden geheilt wurden, ein
Deutschland, das auf sie gewartet hat, wie eine Mutter auf ihre Söhne.
Aber die Gedanken an diejenigen sind auch dabei, die für uns gestorben
sind — wir wollen sie ehren. So walten tiefe und starke Gemütsbedürf-
nisse, die mit anderm Maße zu messen sind als irgendwelche wirtschaft-
lichen Forderungen. lind doch brauchen auch diese Wünsche Besonnen-
heit. Auch für sie braucht die eiserne Zeit Gesetze.

Nnsrer Gegenwart und unserm deutschen Volke liegt es nicht, von vorn-
herein der Kriegerehrung in sichtbaren Monumenten einheitliche Gestalt
zu geben. Wir sind kein Volk und leben nicht in einem Zeitalter, in dem
Fragen des Stils und des Geschmacks geklärt, in dem sie von allen unter ver-
wandten Voraussetzungen aufgenommen und gelöst wären. Einige Zeichen

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