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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1915)
DOI Artikel:
Vogeler, Erich: Kriegsbilder, [2]: (Schluß)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0250

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Kriegsbilder

(Schluß)

von der theoretrschen Betrachtung zu den Dingen. Wie ist das
/ positive Resultat? Roch ist es natürlich zu früh zu einem runden Er--
^ ^gebnis, noch können nur Skizzen sprechen. Das allzu schnell Fertige
ist selten neu. Wenn wir betrachten, was bisher vor unsre Rugen kam,
so können wir nicht leugnen, daß vieles darunter ist, das die Lrwartungen
keineswegs erfüllt. Von den handwerksmäßigen A.nterhaltungsillustra--
tionen, die aus der Familienblattsauberkeit des siebziger Iahrgangs sich
höchstens zu einer mehr kinomäßigen Roheit entwickelt haben, zu schweigen.
Aber auch in Bildern von redlichen Künstlern, die an die Front gingen,
um dort „Studien" zu machen, ist der Krieg meistens nur der Inhalt,
nicht das Formende geworden. Anderseits blieb vielen der fertige Rahmen
des Stils leer und starr, da sie die Anmittelbarkeit des Geschehens nicht
reick und bewegt genug aufsogen, sie setzten das Symbolische voran, statt
daß erst die Wirklichkeit sich zum Symbolischen steigert, so daß die Lin--
heit wirklich das Vielfältige umschließt. Es gehört eben nicht nur der
allgemeine günstige Stand der Kunstentwicklung dazu, das Große nun
zu schaffen, sondern die starke künstlerische Persönlichkeit. Sie erft ver--
mag den Dualismus von Wirklichkeit und Wille in die Form aufzu--
lösen. Immerhin sahen wir manche Blätter und Bilder, in denen die
zuckend bewegten oder furchtbar schweigenden Tatsächlichkeiten in Um--
rissen gebannt waren, worin der Rhythmus unsres seelischen Lrlebens
herrschtd.

Das Stärkste aber, was an Kriegsbildern bisher zu sehen war, sind
die Skizzen, die Ludwig Dettmann während seines Aufenthalts an der
Ostsront gemacht hat, und die die Kgl. Akademie der Künste in Berlin
aufstellt.* Dettmann war nie einer von entschiedener Richtung, er war
eigentlich Eklektiker, oder richtiger: er hielt sich auf der mittleren Linie.
Manchmal schien ihm leider auch, was den Wert anbetrifft, die mittlere
Linie zu genügen. Lr schien als Impressionist bloßer Mitläufer, ohne
die Leidenschaft des Technischen als Lrlebnis, obwohl er über alle Fein-
heiten der Mittel verfügte; und als er den (8(3 er Erinnerungen seinen
Pinsel lieh, sah man, daß er auch das Wesen der Linie und des Rhythmus
erfühlt hatte, ohne aber auch hier Fanatismus zu zeigen. Vielleicht war
diese Anentschiedenheit jetzt von Vorteil, er konnte sich ohne artistische
Hemmungen und Voreingenommenheiten, ganz, rückhaltlos dem großen
Erleben in die Arme werfen, um erst aus diesem Erlebnis „Krieg" heraus
in Zusammenfassung seiner Mittel den ganz besonderen Ausdruck für dieses
Lrlebnis zu finden. Seine Synthese ist ganz unmittelbar, ganz erst aus
diesem leidenschaftlichen Erleben gewachsen. In diesen Skizzen ist die
realistische Wahrheit einer elementaren Wirklichkeit, aber zugleich die sym-
bolische Wahrheit der Form als Ausdruck eines tragenden Gefühls. Das
ist es, daß wir wirklich den Krieg sehen. Die realistischen Tatsachen be-
weisen nicht den Krieg. Selbst Tote, selbst zerschossene oder brennende
häuser machen noch nicht den Anterschied zwischen Manöver und Krieg,
zwischen einem Zufallsunglück und einem tragischen Willen. Erst diese
Gebundenheit, in der die Dinge Gebärden werden, in der sie deutend

* Wir hoffen, demnächst einige davon zeigen zu können.

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