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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

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Heft 15 (1. Maiheft 1915)
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Millenkovich, Stephan von: Gedichte von Stefan Milow
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Düsel, Friedrich: Kriegs- und Friedensstücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0121

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Weg zur Erlösung

«^ch feire dich, du tiefer Lebensdrang,

ODer rings der Wesen bunte Fülle zeugt!

Wieviel dich treffen rnag, verwirrend bang,

Du regft dich sieghaft, ewig ungedeugt.

Was trugst du nicht in all der Zeiten Lauf,

Dich selbft zerfleischend oft, an Qual und Not!

Allein du schnellteft immer wieder auf,

Stets neu verjüngt in allem Graun und Tod.

Quillt auch aus tausend Wunden dir das Blut,

Zerstörst du selbft im Wahn oft, was du baust,

Dir spornt ein immer höhres Ziel den Mut,

Gleichwie du immer klarer um dich schauft.

Rnd ist's die fluchbeladne Sünde nur,

Der du, begier'ger Lebensdrang, entftammst,-
Du findest doch zuletzt des Heiles Spur,

Wenn du trotz jeder Prüfung ftrebst und flammst.

Nicht durch Entsagung dringst du himmelan
Aus der Bedrängnis, die das Sein dir schafft:

Was dich befreien und erlösen kann,

Ift einzig deine ungebrochne Kraft.

Die letzte Znstanz

M2

elbft den Größten umftreiten im Sein die verschiedenen Geister,-
Aber er gilt und bleibt, wie ihn die Liebe geschaut.

Kriegs- und Friedensstücke

«^H-nsre Zuversicht zu der würdigen Haltung der Berliner Bühnen war
^ I nicht gerade groß, als der Krieg ausbrach. Wie wird's werden?
'^^Eine Weile werden sie sich dem „Ernst der Stunde" beugen, dann
werden sie um so gewissenloser dem Geschäst nachjagen, soweit sie nicht
überhaupt die Flinte ins Korn wersen. Aber das war nicht mal unsre
ärgste Sorge. Mehr noch als die Flüchtigkeit des Ernstes fürchteten wir
die Dauer jener Aktualitätswut, die in den ersten Wochen des Krieges
wie ein hitziges Fieber um sich griss und alle Begrisfe von Echtheit und
Mache, Kunst und Vaterlandsgeist heillos zu verwirren drohte. Und
hinter diesem Schreckgespenst lauerte noch ein andres, nicht minder drohen-
des: werden nicht all die Kleinen im Geiste, die Lahmen und Blinden, die
zu ihrem Glück mittlerweile verzichten gelernt haben, ihre Stunde von
neuem sür gekommen halten und laut polternd an die Türen pochen, weil
sie doch vor vierzig Iahren, nach dem letzten Kriege, ein so dankbares
Publikum hatten und weil ihre unschuldigen Werke noch nichts von dem
wissen, was — man hört's ja immer wieder! — erst durch die „vermale-
deite Moderne" in die Welt des Theaters gekommen ist. Hätten sich

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