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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1915)
DOI Artikel:
Vogeler, Erich: Kriegsbilder, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0194

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Kriegsbilder

Krieg MO/H hat der bildenden Kunst so gut wie nichts gegeben.

IDas lag nicht an dem Krieg, es lag an dem Zustand der damaligen
Kunst. Das große Erleben, so gewiß es die Vorbedingung großer
Kunst ist, schafft nicht ohne weiteres den künstlerischen Ausdruck. Findet
die große Zeit eine Kunst vor, die nicht nur an Gehalt klein, sondern auch
in ihren Mitteln verarmt, technisch verwahrlost, in ihrem Wesensbewußt--
sein stumpf, ohne eigentlichen künstlerischen Ernst ist, so kann alles Gesühk
die Form nicht zu Größe, zu wahrer Größe steigern. Die anekdotische,
konventionelle Malerei vor s870 war auch im geringsten nicht vorbereitet
auf ein gesteigertes Erleben und war unsähig, dem Empsindungsgehalt
des großen Geschehens mit ihren Kräften gerecht zu werden. Ein Strich
ohne Nerv, eine Farbe ohne Blut machte sich daran, berichterstatterhaft
den Krieg zu schildern. Es wurden triviale Illustrationen, die in großen
Flächen leer, in kleinen Ausschnitten ohne Wahrheit bleiben mußten. Von
dem Rhythmus des Geistes der Zeit, von der zuckenden Wahrheit der ein-
zelnen Realität ist in dieser glatt und bequem gepinselten Schlachtenschil-
derei nichts zu spüren. Panoramen oder Genrebilder, das ist die künst-
lerische Ausbeute des siebenziger Krieges.

Bevor wir in das Erlebnis dieses jetzigen eintraten, hatten wir kaum
die Möglichkeit, die ganze Unzulänglichkeit jener Bilder zu empfin-
den, wir konnten nur rein Lsthetisch die Schwachheit dieser künstlerischen
Bemühnngen erkennen, mehr die technische als die seelische Rnzuläng-
lichkeit. Als wir aber aus der flutenden Erregung der Augusttage den Blick
zufällig auf diese Bilder wandten, die mit einem Mal aus verstaubten
Lcken wieder in die Schaufenster und Kunstsalons gekommen waren, da
standen wir staunend: Ist dies der Krieg?! Ist dies — das große Schick-
sal, dem wir in einer gespannten strömenden Rhythmik der Glieder und
der Seele entgegenschritten?! Nnd wir blickten auf die Kunst unsrer
Tage: Wird sie dem großen Erleben, das jetzt ein großes Volk wie ein
Mann durchschreitet, gewachsen sein?

Daß die Kunst unsrer Tage sich in einer andern Verfassung befindet
als die in den siebenziger Iahren, ist schlecht zu bestreiten. Wir haben
über die schon etwas nervöse Kunstunruhe unsrer Zeitläufte bisweilen eine
Klage nicht unterdrücken können, aber war diese Anruhe nicht ein Zeichen
des Lebens, des Treibens von Kräften, eines künstlerischen Strebens, das
bei aller Fiebrigkeit, Neuerungssucht und Gewaltsamkeit doch einen künst«
lerischen, zum mindesten artistischen Lrnst verriet, eine ernste Interessiert-
heit, eine ernste Stellungnahme zu den Problemen der Kunst? Die
Kunst war den Künstlern wieder ein Problem geworden, eine solche Periode
ist nicht behangen mit lauter reifen Früchten, aber sie ist wie aufgerissene
Muttererde, die hungrig ist nach Saat, um lebendige Früchte zu treiben.

Wie war die Entwicklung der Kunst in diesen letzten Iahrzehnten ge«
wesen? Zuerst war sie eine technische. Im Kampf gegen das „Literarische",
das heißt gegen das unkünstlerische Genügen am Inhalt, hatte sich die
Malerei endlich wieder die technischen Grnndlagen angeeignet. In der
sehr ernsten Arbeit, die Mittel der Kunst zu verfeinern, zu verschärfen, zu
steigern, war sie dabei in eine allzu einseitige Aberschätzung des rein
Technischen, des bloß Malerischen geraten. Bis sie schließlich erkannte, daß
das Technische doch nur das Selbstverständliche ist, daß es wohl vorhanden
 
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