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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

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Heft 14 (2. Aprilheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Ich kenne nur noch Deutsche
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Schumann, Wolfgang: Bücher der Zeit, 2: zu der Frage was man heute lesen "soll"?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0072

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und Achtung auch gegen den Gegner rn den Parlamenten gesprochen wor»
den? War Wärme tn diesen Reden? Nochmals, wir wissen ja, daß
man's dort schwerer hat als hier draußen. Aber wir haben gegen die
Sozialdemokratie hin auch tatsächlich nichts gehört, als was bestenfalls
nach Nachgeben und Entgegenkommen klang, nichts, was einem Her-
zenswunsch Ausdruck gegeben hätte: wir wollen euch zu verstehen
suchen, wir wollen ohne jeden moralischen Vorbehalt euch als Gleich-
stehende mit uns anerkennen, wir wollen das Wohl des Vaterlandes, des
Volkes, der Menschheit mit euch zusammen zu finden und zu fördern suchen.
Wir wollen das, macht es uns möglich, indem auch ihr das eurige tut
und auch unter euch selber die abweist, die dem entgegenarbeiten. Vorläusig
ist es doch, als wenn das Bewußtsein von dem Positiven des Ziels
in unsern Parlamentariern noch im Morgenschlaf läge, höchstens schon
dämmerte. Hunderttausende im Volk fühlen es dunkel, aber stark. Der
Kanzler sieht es klar. Der Kaiser bekennt es. Neulich war zu lesen, mit
welcher Erquickung er im Hauptquartier zu einem deutschen Schriststeller
von der deutschen Linmütigkeit gesprochen hatte. Und dann sinnend und
in tiesem Lrnste: „freilich, wenn es nicht so gekommen wäre . . .".

„Ich kenne nur noch Deutsche." Als sich die Linigkeit unsres Volkes
erwies, wem war da nicht, als flöss' es durch die Adern von Iugend? Wem
schien es nicht, daß mit jener Reichstagsitzung das Deutschvolk der Zukunft
in die Geschichte getreten seil Unbezwingbar von außen, aber unhemmbar
auch in seinem Aufstieg im Vaterland. Wir wissen trotzdem nicht, ob es
gelingen wird, den einen Willen, den Willen bergauf bei allen lebendig
zu halten, nein. Aber das wissen wir doch wohl, daß wir in innerer
Politik nichts Wichtigeres zu erstreben haben, als zunächst einmal
diesen Willen. Ilnd daß er die Achtung vor dem Mitdeutschen, stehe
der, wo er wolle, die Freundwilligkeit und die Sachlichkeit wie Luft, Brot
und Wasser zum Leben braucht. Was es hier zu erwerben gilt, ist ja viel
wichtiger noch, als irgendwelche Erwerbung neuen Gebietes sein kann, so
wichtig und dankenswert sie sein mag. Worum es hier im Innern geht,
das ist der größte Kampfpreis dieser ganzen mordenden und gebärenden
Zeit. Ist die Vorbedingung allen Lrhaltens und allen Erwerbens
für die Zukunft. A

„Bücher der Zeit" 2

Zu der Frage: was man heute lesen

Ioll"?

uch wer gewohnt war, um die rasch vergänglichen Lrzeugnisse des
Tages einen Bogen zu machen, bekommt heute fast wider Willen
^H-so viel davon zu hören und zu sehen, daß er sich irgendwie damit
auseinandersetzen muß. So sei denn in den nächsten Kunstwartheften
über ein paar ausgewählte Schriften einiges bemerkt. Zuvor aber etwas
mehr Grundsätzliches.

Was den Lesern der Tages-Erzeugnisse vorschwebt, ist, soviel ich sehen
kann, dies: sie wollen „mit der Zeit gehen", wollen sozusagen das Wichtigste
und Wissenswerteste wissen von dem, woraus sich die gängigen Meinungen
über den Lauf der heute so lauten Weltgeschichte herleiten, wollen ihrem

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