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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

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Heft 13 (1. Aprilheft 1915)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0046

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Vom Heute fürs Morgen

Wort als Waffe

as Bewußtsein vom Recht und
einer Art Notwendigkeit ihrer
Anternehmungen brauchen alle Völ--
ker. Wenigstens nebenher. Aber es
scheint, daß es andern Völkern
leichter wird als uns, sich dieses
Bewußtsein zu verschafsen, wenn die
Sache ihnen sonst vorteilhaft vor-
kommt.

Für sie bedeutet das geistige Lle-
ment offenbar etwas anderes als
für uns. Das Wort ist für sie in
einem andern Sinn Waffe. Und
nicht nur das Wort, sondern der
Geist selbst, das ganze Anschauungs-
und Vorstellungsleben.

Was bedeutet das, daß das Wort
Waffe sei?

Auf die Aberzeugung wirkt na-
türlich vor allem das wirkliche Ge-
schehen ein. Aber es kommt nur
durch eine Vermittlung an uns.
Durch persönliche Auffassung. In
allem wirklichen Sein und Ge-
schehen sucht ein Wille Ausdruck
und Gestalt, der gedeutet werden
muß. Durch diese Deutung seines
Tuns hindurch sucht der Wille Ver-
ständnis, Bundesgenossenschaft, Hilfe.
Im handelnden Menschen selbst und
im andern. So wird das Wort
Wasfe.

Das Wort ist von vornherein
Waffe, es ist stets Waffe gewesen.

Der Mensch ist nicht eine Art
See, dem die Spiegelung verliehen
ist, um zu zeigen, was um ihn her-
umsteht. Lr ist nicht ein Auge, dem
das Wort gegeben ist, um mitzu-
teilen, was es sieht. Er ist viel-
mehr ein Kämpfer. Sein wesent-
licher Inhalt ist das Streben, sich
und die Welt um sich zu gestalten.
Durch die Art, wie er auf sein Schick-
sal antwortet, gestaltet er seine Le-
bensidee — bewußt oder unbe-

wußt: das Tiefste ist stets unbewußt.
Es ist die Religion des Menschen,
daß er versucht, seine Lebensidee zu
erfühlen und sie zu gestalten, aus-
zuformen. Dieser Wille zur Ge-
staltung der Nm- und Inwelt ist
das Wefentliche im Menschen. Die-
ser Wille hat sich das Wort als
Mittel geschaffen, um sein Ziel sich
und andern zu nennen und vorzu-
bilden für die gemeinsame Arbeit.

O

Wenn wir also Dinge oder Zu-
stände, die sind oder gewesen sind,
nennen, so nennen wir nie eigent-
lich sie selbst, sondern vielmehr die
Beziehungen unseres Wollens und
Strebens zu ihnen, wir sehen und
nennen sie mit Liebe oder Haß, mit
Begehren oder Verabscheuen, mit
Anerkennung oder Mißbilligung,
und wir sehen sie in deren Fär-
bung.

Nun ist es klar, daß die Stärke
und Ausgesprochenheit dieser Fär-
bung auf die Schnelligkeit unserer
Entschlüsse und auf die Wucht un-
seres Handelns Linfluß hat.

And hier scheint das Nmfühlen
und Nmdichten der Dinge in Reiz-
mittel für eigene Energie und
Werbemittel für andere den andern
Völkern leichter vonftatten zu gehen
als uns.

Der blinde Ausdehnungstrieb
braucht keine andere Begründung
für einen Krieg, als daß ununter-
worfenes Land da ist. Die Ruhm-
sucht braucht mehr nur eine Aus-
sicht als einen Grund. Die geschäft-
liche Nützlichkeit will schon genauere
Prüfung. Geister, die durch solche
Beweggründe getrieben werden, sind
sehr von der Oberfläche der Dinge
abhängig und begnügen sich des-
halb auch gern mit einem ober-
flächlichen Schein, und damit, ihn

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