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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

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Heft 18 (2. Juniheft 1915)
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Stapel, Wilhelm; Natorp, Paul: Paul Natorps "Tag des Deutschen"
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Gürtler, Franz: Tageserzeugnisse und Musikkritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0246

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und allgemeinen, nicht bloß instinktiven, sondern bewußten Sachwillen
und Organisationswillen; einer unbedingten Entschlossenheit, Liner für
Alle, Alle für Einen zu stehen, und aus dem Geiste solcher Gemeinsamkeit
zu opsern; nicht bloß Sachen zu opfern, um Sachen zu gewinnen, sondern
sich ganz zu geben für die eine, gemeinsame Sache, die nicht meine oder
deine, sondern die Sache der Allheit ist.

(Die Kraft der Wahrheit)

^adurch, daß ewig nicht Lüge über Wahrheit den Sieg behalten kann,
-^ist nicht auch, wer mit den Waffen der Wahrheit kämpft, davor ge--
sichert, durch die Waffen der Lüge zeitweilig überwältigt zu werden.
Wohl aber ist der Wille zur Wahrheit eine innere Krast, die, in sich
schon gewaltig, zugleich alle wahrsten, reinsten und durch ihre innere
Linstimmigkeit sich gegenseitig hebenden Kräste im Menschen entbindet
und so ihm die höchste ihm erreichbare sittliche Lnergie mitteilt. Und
wahrlich liegt darin eine Gewähr des Sieges, so stark wie keine andere.

(Sachlichkect)

^icherlich keinem in unseren Millionenheeren bleibt der Schauder er--
^spart vor dem stündlich drohenden Tode; aber keiner auch erliegt ihm,
sondern er wird seiner Herr, nicht indem er den „Willen zum Leben"
in sich austilgt, sondern indem er diesen kleineren Willen, der eigentlich
nicht Wille, sondern Müssen ist, überwindet durch den größeren, den
allein echten Willen zur Sache. Navigare necesse est, vivere non ne-
cesse — das brauchen wir heute nicht erst vom alten Rom zu lernen,
denn ungleich näher und stärker lehren es uns jetzt, nicht in einzelnen
unerhörten Taten allein, sondern in ihrem alltäglichen Pslichtdienst, unsere
„blauen Iungen". Wir alle aber empsinden das als gar nichts Frem--
des, sondern als eben das, was in uns immer schon lag, nur jetzt tag--
täglich sich, stärker als sonst, zu beweisen Gelegenheit sindet. Ls ist
zuletzt gar nichts andres als derselbe schlichte Sachwille, den jeder red--
lich ArbeiLende sort und fort beweist: Bergmann, Eisenbahner, Flieger,
wer immer. Es ist gar nichts dem Prinzip nach anderes, als daß der
Schuhmacher will, daß sein Schuh sitzt, der Richter, daß sein Sprrlch
recht, der Gelehrte, daß sein Beweis schlüssig sei, der Künstler, daß sein
Werk stehe urrd lebe, länger als er selbst, sein Gewinn, oder auch sein
Nachrnhm. Das ist die ganze geheimnisvolle Metaphysik des Deutschen;
jeder einsachste Arbeiter versteht und besolgt sie, wenn er sich sagt: er
will nicht bloß gelebt, er will auch etwas geschafft haben. Dies „etwas,
das man geschasft haben will", diese schlichte Philosophie des unbedingten
Willens zur Sache ist unser ganzes Geheimnis. lmj Paul Aatorp

Tageserzeugniffe uud MusikkriLik

s ist wie ein Alpdruck. Täglich gehen Noten ein, ost ganze Pakete
L H^und' Serien. Noten, die Nieten sind. Keine eroberte Festung, kein
^»^Gesecht, kein General, von Emmich bis zu Mackensen, kein schlagen--
des Wort des Kaisers, kein geschichtlicher Gedenktag, kein Anterseeboot,
kein Kanonentyp, keine aus Feldpostbriesen erklingende Stimmung, und
ach, kein Kriegsgedicht entgeht dem Schicksal, vertont zu werden. Es
will sich nimmer erschöpsen und leeren. Neue Siege sieht sür sein Teil
der Musikkritiker mit gemischtem Gesühl: sie werden neue Lieder, MLrsche,

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