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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1915)
DOI Artikel:
Vogeler, Erich: Kriegsbilder, [1]
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Fried, Alfred Hermann: Zur Friedensbewegung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0196

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Scheinatisieren und Typisieren kam man nicht zum lebendig Symbolischen,
sondern fiel ab ins bloß Formale, Dekorative. Dieser Kunst fehlte das
große Erlebnis, nicht als Inhalt, sondern als Gesühlsgehalt, als rhythmi--
sierender Wille, als seelische Architektur, als spannender Rahmen. Mehr,
sie wartete geradezu darauf, sie „schrie" danach, wie sie äußerlich nach
Wänden schrie. So war die Kunst unsrer Tage ganz anders vorbereitet
auf den Krieg als die Kunst vor vierundvierzig Iahren. Sie hatte die
Fähigkeit erlangt, die zuckendste Bewegtheit der Wirklichkeit mit eindring-
licher Wahrheit wiederzugeben, und war zugleich ihrem ganzen künstleri-
schen Willen nach von der Sehnsucht erfüllt, das Wirklichkeitsbild in
einen großen seelischen Rahmen zu sassen.

Das große Lrlebnis des Krieges ist nicht das äußere Geschehen mit
seiner blutrünstigen Gewaltsamkeit, ist nicht das Augenerleben unerhörter
Zustände voller Tod, Zerfetztheit und Zerstörung, sondern ist das Seelische
daran, die große allgemeine Spannung eines Gefühls, das tragende Lthos,
der elementare tragische Wille, aufzugehn in das Allgemeine, in eine
große Einheit. Alles Tragische ist Wille. Der Wille aber kann niemals
realistisch, das heißt im Bilde, gegeben werden, er ist transzendental,
er ist — Rahmen. So ist gerade der Krieg wie geschafsen zur Lrfülluna
einer über den Realismus hinaus zum Transzendentalen und Monumen-
talen strebenden Kunst. Zwischen dem Krieg und solcher Kunst ist auch
mancherlei Verwandtschast. Der Krieg ist eine männliche Angelegenheit,
äußerlich sowohl wie innerlich, als Wille zu herrschen, wie dieser sich
nicht nur in dem Pathos des Siegenwollens ofsenbart, sondern vielleicht
mehr noch in dem Ethos des Sich-opferns, worin der Wille zu herrschen,
zur beherrschenden Einheit viel tieser ausgedrückt ist. (Gerhart tzaupt-
manns wundervolles Gedicht „Komm, wir wollen sterben gehn" zum Bei-
spiel ist für mich tiefer, tragischer, und das heißt männlicher als alle, die
vom Dreinschlagen und Siegen singen.) Auch die Kunst des Stils ist eine
männliche Angelegenheit; sie ist nicht mehr das Iünglinghafte von Stim-
mung, Passivität, Ausnehmen, sie ist aktiv, ist Formung, ist Beherrschung.
Man denkt an den „Eroico furore", in dem Michelangelo den gesetz-
mäßig rhythmischen Willen sah, der die Zersetztheit des Weltbildes in die
Einheit der Arsorm zwingt. Man kann Eigenschaften des Krieges aus-
sprechen, die sich wie Schlagworte einer rhythmischen Kunst anhören; ab-
gesehen davon, daß der Krieg jene gesteigerte Anspannung der 5^räfte
darstellt, die immer rhythmisch ist. Am nur von „Primitivität", „Ar-
zustand^', „Vereinfachung^, „Wegfall des Anwesentlichen", „Aufhebung des
Individuellen", von dem „Gefühl für die ordnende, beschränkende Not-
wendigkeit^, von „Organisieren der einzelnen Kräfte zum GleichtakL aller"
zu sprechen, von dieser „Richtung aus das Ganze, immer aus eine Idee,
auf das Schicksalmäßige". Erich Vogeler

(Schluß folgt)

Zur Friedensbewegurrg

^^^lsred Fried, der mit der Ehrendoktorwürde und dem Nobelpreis
g ausgezeichnete Vorkämpfer der Friedensbewegung, antwortet das
^^Folgende aus meine Bemerkungen im Weihnachtshest:

Dieser Gegenstand ist mit dem Weihnachtsaussatz hier angeschnitten wor-
den. Mit allen Zweiseln und Bedenken zwar; aber mit jenem unheim-

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