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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1915)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Der pflügende Soldat
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0115

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Der pflügende Soldat

us einer angeschossenen Scheune des französischen Dorfes hinter
8 der Front schallt der Takt von Dreschflegeln. Feldgraue treiben eine
^d^Herde Rinder vorüber. Iknsere Führer, zwei Unterosfiziere, zeigen
uns stolz „ihre Wirtschaft^: die Pferde und Kühe im Stall, der nie so
sauber aufgeräurnt war wie jetzt in der Zeit des deutschen „Äberfalls",
das Schwein im Kober, das Stroh und Heu auf dem Boden. Ob sie
zu Hause etwas mit Landwirtschaft zu tun hätten? Der eine ist Lehrer,
der andre Kausmann. Hinter dem Haus, auf dem Hügel aber schreitet
ein Feldgrauer bedächtig hinter dem Pfluge.

Dieser pflügende Soldat, dem man sehr oft begegnet, hat geradezu etwas
Symbolisches für einen gewissen Geist in unserm Heer, für eine sehr be-
deutsame Seite seines Wesens. Gewiß wird bei keiner Partei mehr
der Krieg nur mit Schießen und Stechen geführt, wirtschaftliche, verkehrs-
technische, Kulturarbeit im engeren Sinne muß überall geleistet werden.
Äberall hat diese Arbeit auch, abgesehen von technischen Sonderaufgaben,
die eigens dazu ausgebildeten Truppenteilen anvertraut sind, zumeist
irgendwie mit LanLwirtschaft, mit Acker, Wald, Weide, Vieh, Haus und
Hof zu tun. Das ganze Leben „draußen" ist ja auf eine Art Natural--
wirtschaft höchst unmittelbarer Art eingestellt, Geld hat begreislicherweise
an vielen Stellen fast keinen Wert, und oft genug ist der Soldat höchst
zwingend auf den Boden verwiesen, auf dem er steht und um den er
kämpft. Äberall steht der Soldat auch heute noch trotz Technik und Lisen-
bahnen, „im Felde". Aber die Art, wie diese Anderung des Lebens-
zustandes, die für viele unsrer Leute ja sehr groß ist, aufgenommen und
nicht nur ertragen, sondern vielfach mit Freude erlebt und innerlich ver-
arbeitet wird: die kehrt kaum bei irgendeinem Volke wieder. Unser Heer
ist als eine wehrhafte Vertretung des ganzen Volkes, aller Berufe, Fähig-
keiten und Anlagen, vermöge der Organisation seiner Arbeit im Frieden,
nicht nur äußerlich für jene friedliche Kriegsarbeit besonders gut vorbe-
reitet: es bringt auch dem Wesentlichen dieser Aufgaben, jenem ländlichen
Zug an ihnen, unverkennbar eine besondere Neigung entgegen.

Die äußert sich bei den Einfachsten, namentlich bei den Landbewohnern
unmittelbar. Sie vertieft und verseinert sich bei den aus den Städten,
aus den geistigen Berufen, aus der Industrie Kommenden durch den

,. Maiheft ,9,2 (XXVIII, ,5)

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